20/10/2025
Hochsensible leben nicht leicht
Besonders hochsensible Menschen denken oft: "Wenn ich nur nicht so empfindlich wäre, wäre mein Leben leichter. "
Ja, wenn, dann würde einem so manches am A….vorbeigehen.
Ist aber leider nichts so, Hochsensibilität lässt sich nicht abstellen und nicht wegtherapieren. Sie ist Fluch und Segen zugleich und man muss damit leben lernen, ohne an der Härte der Realität zu zerbrechen.
Wer empfindlich ist, ist jedoch nicht gleich hochsensibel.
In Deutschland ist der Prozentsatz der Bevölkerung an Hochsensiblen relativ gering. Schätzungsweise gelten 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung als hochsensibel, wobei die genaue Zahl schwer zu bestimmen ist.
Wie kommt die Zahl zustande?
Es gibt den Der HSP-Test für Hochsensibilität von Dr. Satow, der Hochsensibilität auf drei zugrundeliegenden Faktoren misst. Anhand der Ergebnisse wird ermittelt, wie hoch der Anteil der Menschen ist, deren Werte auf dem Fragebogen über einer bestimmten Schwelle liegen. Das Ergebnis aus der Stichprobe wird dann auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet, um einen ungefähren Prozentsatz zu erhalten. Die Fragebögen basieren ausschließlich auf der Selbsteinschätzung der Teilnehmer.
Der HSP-Test bestimmt den Grad von Hochsensibilität anhand von drei diagnostischen Faktoren:
Leichte Erregbarkeit (Ease of Excitation)
Menschen mit hohen Skalenwerten sind leicht erregbar und schnell beunruhigt, insbesondere dann, wenn viele Dinge und Informationen gleichzeitig auf sie einströmen.
Niedrige Wahrnehmungsschwelle (Low Sensory Threshold)
Menschen mit hohen Skalenwerten nehmen ihre Umwelt intensiver und oft auch früher wahr als andere. Sie sind empfindlicher, z.B. für flackerndes Licht oder unangenehme Gerüche.
Hohe Empfindsamkeit (High Sensitivity)
Menschen mit hohen Skalenwerten beschäftigen sich sehr mit ihren eigenen Gefühlen und inneren Vorgängen. Die hohe Empfindsamkeit verstärkt die leichte Erregbarkeit und niedrige Wahrnehmungsschwelle deutlich.
Hochsensible haben feine Sensoren und ein hohes Maß an Spiegelneuronen. Daher nehmen sie sich selbst und ihre Umwelt sehr genau wahr. Mit Hilfe der Spiegelneuronen können sie die Gefühle anderer nachempfinden. Je sensibler, sprich - je offener ein Mensch für Reize sind, desto intensiver kann er mit anderen mitfühlen. Das kann dazu führen, dass Hochsensible mitleiden, weil ihr Gehirn den Schmerz anderer so verarbeitet, als wäre es der eigene. Hochsensible Menschen sind zudem sehr kreativ, haben eine bildhafte Sprache und eine hohe Vorstellungskraft. Beim Erzählen, Lesen oder Zuhören läuft bei ihnen automatisch ein innerer Film ab. Dieser Film brennt sich im Gehirn ein und kann sie über Jahre begleiten.
Darüber hinaus beschäftigen sich Hochsensible intensiv mit ihren eigenen Gefühlen und Gedanken. Sie verbringen viel Zeit damit sie zu erforschen und kennen sich daher selbst gut. Sie wissen um ihre inneren Vorgänge, ihre Wünsche und Bedürfnisse und können sich daher auch in andere Menschen gut einfühlen, denn nur wer mit sich selbst, mit den eigenen Gefühlen tief verbunden ist, ist auch in der Lage, sich mit anderen verbunden zu fühlen.
Hochsensible nehmen Geräusche, Geschmack und Gerüche, die Mimik und Gestik anderer intensiver wahr. Unangenehme Kleinigkeiten bringen sie schnell aus der Ruhe und lösen negative Emotionen aus. Emotional sind sie wesentlich empfindlicher und verletzbarer als andere. Dafür ist das zentrale Nervensystem verantwortlich. Schon die geringste Kränkung kann sie aus der Balance bringen und stärker und langanhaltender belasten als weniger sensible Menschen. Die besondere Verletzbarkeit basiert auf der intensiveren Wahrnehmung und der hohen Sensibilität für emotionale und sensorische Reize.
Da Hochsensible schnell reizüberflutet sind, fällt Ihnen oft schwer, zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden. Ihre Aufmerksamkeit wird immer wieder auf Nebensächlichkeiten gelenkt, so dass sie Schwierigkeiten haben ihre Aufmerksamkeit zu steuern und auf das Wesentliche zu konzentriere . Manche Hochsensible werden extrem nervös in Menschenansammlungen, andere ertragen nur wenig oder nur zeitweise Nähe. Wenn ein Hochsensibler unter Druck gesetzt wird oder er sich überfordert fühlt, sei es beruflich oder privat, leidet er Seelenqualen. Ihm fehlt die Fähigkeit die Dinge auch mal locker zu nehmen. Es kann alles sein, was den Hochsensiblen aus seiner inneren Ruhe bringt.Hochsensible spüren sich, sie spüren andere und sie spüren Energien. Zu viel spüren belastet, mit anderen Worten: zu viel ist zu viel, zu viel vom Vielen.
Hochsensible leben nicht leicht.
Um sich als Hochsensibler zu entlasten ist es wichtig, die Reize herausfinden, die ihn ins seelische, gedankliche oder körperliche Ungleichgewicht bringen. Findet er das heraus, ergibt sich daraus das einfache Rezept: Meide genau das!
Entscheidend aber ist: Wer hochsensibel ist, muss sich nach Innen stärker in den elementaren Untergrund und die vitale Gesamtheit verwurzeln. Er darf niemals nur nach außen leben.
Hochsensible brauchen Zeit, Zeit mit sich selbst und Zeit um das täglich Erlebte zu verarbeiten. Sie brauchen viel mehr Zeit mit sich selbst und viel länger um Gewesenes zu verdauen, als andere, eben weil sie intensiver fühlen. Deshalb ist ein hochsensibler Mensch auch oft ruhebedürftig und hat das drängende Gefühl sich für eine Weile von allem zurückziehen zu müssen. Das ist ein gesundes Bedürfnis, denn das Nervensystem braucht diese Ruhe um sich wieder entspannen zu können. Diesem Bedürfnis sollte er folgen.
Für hochsensible Menschen ist es wichtig, ihre Grenzen zu kennen, sie zu schützen und sie auch zu setzen. Ebenso wichtig ist es sich von negativen Energien fernzuhalten und sich eine wohlwollende, ruhige Umgebung zu schaffen. Achtsamkeit und Meditation können helfen, inneren Frieden zu finden.
Für mich ist die Herausforderung des Hochsensiblen, das im Inneren angesammelte Material zu lösen, seine Haltungen zu überprüfen und zu verändern um sich emotional zu entlasten. Was sie brauchen ist ein Weg, um mit ihren diesen Stressoren umzugehen. Denn wenn er sich damit abfindet, von seiner überladenen Gefühls- und Gedankenwelt beherrscht zu werden, ist er unfrei. Daher sollte er es sich zum Ziel machen sich zu befreien um bei sich selbst anzukommen. Das bedeutet: Alle angesammelten Spannungen identifizieren, zu lernen das Fremde von Eigenen zu trennen und achtsam zu werden, für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse und vor allem, diese ernst zu nehmen. Was dann übrig bleibt, ist reine Sensibilität, die nicht von unverarbeiteten und verdrängten Erlebnissen beeinflusst ist.
Angelika Wende
www.wende-praxis.de
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