29/11/2025
Risikofaktoren für eine erektile Dysfunktion bei jungen Männern
Wolfgang Paik | Veröffentlicht 28.11.2025
Ätiologie der ED ist auch bei jungen Männern multidimensional
In einer deutschen Studie mit 4500 Teilnehmern berichtete nahezu jeder fünfte Teilnehmer (19,2 %) von Erektionsstörungen. Dabei zeigte sich eine deutliche Altersstaffelung: Unter den 70- bis 79-Jährigen etwa fühlte sich mehr als jeder Zweite von Erektionsstörungen betroffen (53,4 %). Unter 40- bis 49-Jährigen war es etwa jeder Zehnte (9,5 %).
Der für die USA repräsentativen Massachusetts Male Aging Study zufolge leiden weniger als 2 von Hundert unter 40-Jährigen an einer erektilen Dysfunktion.
Während in der Vergangenheit psychogene Faktoren als wichtigste Erklärung für erektile Dysfunktion bei jungen Männern herangezogen wurden, deuten neuere Studienergebnisse darauf hin, dass es sich auch in dieser Altersgruppe um eine multidimensionale Erkrankung mit organischen und psychologischen Aspekten handelt.
Sexueller Leistungsdruck, Depression, Beziehungsprobleme können die Erektionsfähigkeit ebenso beeinflussen wie endotheliale Dysfunktionen, Hormonungleichgewichte, ein metabolisches Syndrom oder neurogene Störungen.
Unter den Lebensstilfaktoren, die das Risiko für eine erektile Dysfunktion beeinflussen könnten, sind Bewegungsmangel, Pornographiekonsum, Schlafqualität, Drogenkonsum und Ernährungsgewohnheiten in letzter Zeit untersucht worden.
Dieser Artikel bietet eine Übersicht über die wichtigsten (potenziellen) Einflussfaktoren auf das Risiko einer erektilen Dysfunktion bei jungen Männern.
Pornographiekonsum und erektile Dysfunktion bei jungen Männern
Eine belgische Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Pornographie-Abhängigkeit und erektiler Dysfunktion in einer Population von Männern zwischen 18 und 35 Jahren. Sie ergab, dass ein höherer Pornographiekonsum mit einer erhöhten Rate an erektiler Dysfunktion assoziiert ist (p < 0,001). Die Masturbationshäufigkeit hingegen hing nicht mit einer höheren Prävalenz der erektilen Dysfunktion zusammen.
Rowland et al. hingegen stellten in einer Population US-amerikanischer Männer unter 30 Jahren keinen Zusammenhang zwischen Pornographiekonsum und erektiler Dysfunktion bzw. dem Schweregrad einer erektilen Dysfunktion fest.
Weitere Forschung ist erforderlich, um eine mögliche Assoziation sicher festzustellen und Faktoren zu identifizieren, die die Assoziation mediieren oder beeinflussen.
Psychologie und erektile Dysfunktion bei jungen Männern
Manalo et al. stellten in einer Gruppe von 18- bis 40-jährigen Männern mit bekannter erektiler Dysfunktion einen signifikanten Zusammenhang zwischen erektiler Dysfunktion und Symptomen der Depression und Angststörung fest (p < 0,001). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine manifeste erektile Dysfunktion oft von Depressions- und Angststörungssymptomen begleitet wird.
Allerdings existieren Studienergebnisse, die eine komplexere, wahrscheinlich bidirektionale, Beziehung suggerieren. So ist bekannt, dass Männer mit diagnostizierter Depression oder Angststörung häufiger an einer erektilen Dysfunktion erkranken. Boddi et al. zeigten, dass die Verschlechterung der Partnerschaft stark mit sexuellen Dysfunktionen, einschließlich erektiler Dysfunktion (p = 0,018) und der Inzidenz von Depression und Angststörungen korrelierte. Ähnliches stellten auch Rastrelli et al. fest. Sie konnten zeigen, dass in einer jungen Studienpopulation eine niedrige Zufriedenheit in der Partnerschaft (p = 0,04) mit einem niedrigen sexuellen Interesse einherging (p < 0,001).
Meist werden die beobachteten Zusammenhänge mit einer erhöhten Stresshormonproduktion erklärt. Klinisch sind psychogene Ätiologien der erektilen Dysfunktion oft schwierig zu ermitteln, da sie eine belastbare Vertrauensbeziehung zwischen behandelndem Arzt und Patienten voraussetzen.
Vaskuläre Leiden und erektile Dysfunktion bei jungen Männern
Sommer et al. haben gezeigt, dass Fahrradfahren aufgrund der perinealen Kompression durch den Fahrradsessel zur arteriellen Okklusion führen kann und signifikant mit einer erektilen Dysfunktion assoziiert ist.
Auf weitere mögliche vaskuläre Genesen der erektilen Dysfunktion deuten die Ergebnisse einer Studie mit 122 von erektiler Dysfunktion betroffenen Männern unter 40 Jahren hin. Im Durchschnitt wiesen die Betroffenen einen höheren systolischen Blutdruck, ein höheres Gesamtcholesterol, höhere Triglyceride, einen höheren CRP-Wert, eine größere Intima-Media-Dicke der Karotiden und einen größeren Framingham-Risikoscore auf als Gesunde.
Metabolische Leiden und erektile Dysfunktion bei jungen Männern
Tucker et al. fanden heraus, dass unter 18- bis 40-Jährigen eine positive Korrelation zwischen erektiler Dysfunktion und einem Prädiabetes oder Typ-II-Diabetes bestand (RR = 1,34 [1,16;1,55] 95 % KI). Maiorino et al. fanden einen äquivalenten Zusammenhang zwischen einer erektilen Dysfunktion und Typ-I-Diabetes in einer Population von 18- bis 35-Jährigen.
Ein höherer BMI, ein hoher Körperfettanteil, eine Dyslipidämie und eine erhöhte Insulinresistenz sind unter jungen Betroffenen einer erektilen Dysfunktion häufiger als in nicht-Betroffenen.
Testosteron und erektile Dysfunktion bei jungen Männern
In einer retrospektiven Studie mit 2292 Männern unter 40 Jahren, die von einer erektilen Dysfunktion betroffen waren, wiesen 10,7 % der Teilnehmer eine erniedrigte Testosteronblutkonzentration auf.
In einer anderen Studie korrelierte unter eugonadalen jungen Männern ein höheres Estradiol-Testosteron-Verhältnis mit der Wahrscheinlichkeit einer erektilen Dysfunktion.
Neurologische Leiden und erektile Dysfunktion bei jungen Männern
Eine multiple Sklerose ist ein signifikanter Risikofaktor für eine erektile Dysfunktion bei jungen Männern (Keller et al., p < 0,001). Zwischen einer Epilepsie und einer erektilen Dysfunktoin bei jungen Männern besteht ebenfalls eine positive Assoziation.
Ferner bestehet zwischen der Einnahme von Antiepileptika, Neuroleptika, Drogen wie Ketamin, Kokain, Cannabis und erektiler Dysfunktion bei jungen Männern jeweils eine positive Assoziation.
Voroperationen und erektile Dysfunktion bei jungen Männern
Angioembolisationen nach Beckenfraktur waren in einer Gruppe von Männern zwischen 15 und 45 Jahren positiv mit einer erektilen Dysfunktion assoziiert (OR: 32,637 [14,137;75,346] 95 % KI, p < 0,001).
Bei Männern unter 50 Jahren waren in einer anderen Studie Operationen wegen lumbaler Wirbelsäulenerkrankungen mit einer erektilen Dysfunktion assoziiert (p = 0,03).
COVID-19 und erektile Dysfunktion bei jungen Männern
Während der COVID-19-Pandemie wurde in China eine erhöhte Fallzahl erektiler Dysfunktionen registriert.
Fazit
Obwohl psychogene Faktoren die größte Bedeutung in der Ätiologie der erektilen Dysfunktion bei jungen Männern besitzen, kann eine Vielzahl organischer Faktoren eine Rolle spielen. Diese Erkenntnis ist vor allem mit Hinblick auf die Rolle der erektilen Dysfunktion als klinischer Frühmarker für systemische Erkrankungen wie Diabetes oder kardiovaskuläre Erkrankungen wichtig.