11/11/2025
Die vier Säulen der Empathie – und was sie in der Palliativpflege bedeuten
Empathie ist weit mehr als Mitgefühl. Sie ist eine Haltung – ein ständiges Lauschen, Wahrnehmen und Verstehen. Besonders in der Palliativpflege wird spürbar, wie sehr Empathie unser wichtigstes Werkzeug ist. Luca Rohleder beschreibt sie in vier Säulen: Wahrnehmung, Verständnis, Antizipation und Resonanz.
Und genau diese vier Ebenen begegnen uns täglich in der Begleitung schwerkranker Menschen.
1. Wahrnehmung – Wie geht es dem anderen?
In der Palliativpflege beginnt alles mit Wahrnehmung. Mit dem feinen Gespür dafür, was unausgesprochen bleibt.
Ein Blick, ein Atemzug, eine veränderte Körperhaltung – sie erzählen oft mehr als Worte.
Empathisch zu pflegen bedeutet, diese Signale zu sehen, ohne sofort zu deuten.
Manchmal ist es einfach das stille Dableiben, das schon alles sagt: Ich sehe dich.
2. Verständnis – Warum geht es ihm so?
Verständnis wächst aus Interesse und innerer Ruhe.
Es bedeutet, sich einen Moment lang in die Welt des anderen hineinzufühlen: seine Geschichte, seine Ängste, seine Sehnsucht.
In der Palliativarbeit heißt das oft, nicht nach Lösungen zu suchen, sondern zu verstehen, was der Mensch gerade braucht – vielleicht Nähe, vielleicht Stille, vielleicht einfach jemanden, der aushält.
3. Antizipation – Wie wird der andere reagieren?
Empathie schließt auch Mitdenken ein.
Wer Menschen in Grenzsituationen begleitet, entwickelt ein Gespür für das, was kommen könnte: körperlich, emotional, existenziell.
Diese Fähigkeit hilft, vorzubereiten, zu schützen und Halt zu geben – ohne zu kontrollieren.
Es ist ein feines Gleichgewicht zwischen Vorahnung und Vertrauen.
4. Resonanz – Wie reagiere ich darauf?
Die vierte Säule ist vielleicht die schwierigste.
Denn Empathie endet nicht beim anderen – sie fordert auch uns heraus.
Wie bleibe ich offen, ohne mich zu verlieren?
Wie antworte ich aus Mitgefühl, ohne mich selbst zu erschöpfen?
Resonanz bedeutet, im Kontakt zu bleiben – mit dem anderen und mit sich selbst.
Gerade in der Palliativpflege zeigt sich, dass Empathie kein Gefühl ist, sondern eine Beziehungskompetenz.
Sie ist das leise Fundament, auf dem Vertrauen, Würde und echte Begegnung wachsen.
Und vielleicht liegt genau darin ihre größte Kraft:
Dass sie uns erinnert, was Menschsein im Kern bedeutet – präsent zu sein, offen zu bleiben und den anderen wirklich zu sehen.
Empathie bedeutet nicht, den Schmerz des anderen zu tragen – sondern ihn in seinem Schmerz nicht allein zu lassen.
In der Palliativpflege zeigt sich Empathie in ihrer reinsten Form – als stille Präsenz, die trägt, wenn Worte längst versagen.