31/10/2025
Das wohl größte Missverständnis, das vielen auf dem Weg der Kräutermagie begegnet, ist, dass Pflanzen wie Werkzeuge behandelt werden, als Zutaten, die man benutzt, anstatt sie als lebendige Wesen zu sehen, die mit uns wirken. Doch die wahre Magie beginnt nicht erst beim Tun, sondern bereits lange zuvor, in der Begegnung mit dem Pflanzengeist.
Wenn du also mit Pflanzen arbeiten möchtest, tritt zuerst in Beziehung zu ihnen. Gehe hinaus, begegne ihnen, ohne etwas von ihnen zu wollen, ohne etwas zu ernten. Setze dich zu ihnen, wenn der Wind ihre Blätter bewegt, wenn der Regen ihr Grün dunkler färbt, wenn die Sonne ihre Düfte weckt, wenn sie am Abend ihre Köpfchen schließen. Es gibt unzählige Momente um sie zu beobachten und von ihnen zu lernen. Beobachte sie also im Licht, im Schatten, und im Wandel der Jahreszeiten. Denn nur so beginnst du, ihre Sprache, ihr Wesen zu verstehen, welches sich in Schwingung, Farbe, Duft und Gefühl erklärt.
Nimm sie mit all deinen Sinnen wahr. Rieche sie, berühre sie, spüre ihre Textur und ihre Lebendigkeit. Wenn sie essbar ist, dann koste sie, um sie zu erkennen und mit allen Sinnen wahrzunehmen. Lass die Pflanze dir erzählen, wie sie wächst, was sie trägt, und welche Geschichte in ihr ruht.
Setze dich dazu still zu ihr, halte ein Blatt in der Hand und atme. Spüre, wie sich dein Rhythmus mit dem ihren verbindet. Vielleicht steigen innere Bilder in dir auf, oder auch Gedanken und Emotionen. Sie sind oft leise, manchmal klar, und immer uralt. Das ist die Stimme, das Wesen der Pflanze, das sich dir zeigt, wenn du still wirst.
Und vergiss nicht, auch etwas zurückzugeben. Das können ein paar Tropfen Wasser sein, der Hauch deines Atems, ein Lied, ein Wort des Dankes, aber auch Blumensamen, Getreidekörner, kleine Kristalle. Entdecke auch hierbei deine Vorlieben, doch beachte dass es immer natürlichen Ursprungs ist und wieder eins werden kann mit der Erde. Denn wisse, Magie ist keine Einbahnstraße, sie lebt von Austausch, Achtung und auch Demut. Wenn du gibst, dann fließt sie. Wenn du sie ehrst, antwortet sie dir.
Mit der Zeit wirst du bemerken, dass die Pflanzen dich erkennen. Dass sie dich spüren, und auch auf deine Energie reagieren. Und du wirst dich erinnern und verstehen, dass sie eben nicht nur Bestandteile und Ingredienzien deiner Rituale sind, sondern es weise Lehrerinnen, Hüterinnen der Erde, uralte Seelen sind, die dich begleiten.
Sie lehren dich Stille, Geduld und Wandel. Sie zeigen dir, dass Heilung nicht genommen, sondern geteilt wird. Dass wahre Kraft nicht im Besitz, sondern im Einklang liegt.
Und wenn du eine Pflanze wirklich in ihrem Wesen, in ihrer Seele und in ihrer
Ausstrahlung erfahren hast, kannst du natürlich auch tiefer in die alten Bücher der Kräuterweisheit blicken. Dort, in den zahlreichen wissenden und weisen Kräuterbüchern, findest du ihre Wirkstoffe, ihre Heilkräfte, ihre Signaturen beschrieben, und all das Wissen, das unsere Ahnen über Jahrhunderte über bewahrt haben. So vereint sich die alte, fühlende Erfahrung mit dem klaren Wissen, mit Herz und Verstand, Intuition und Wissenschaft, Magie und Heilkunst, und wird so zu einem heiligen Zusammenspiel.
Wenn du also das nächste Mal ein Blatt pflückst, eine Blüte trocknest oder ein Kraut in deinen Zauber gibst den du webst und wirkst, dann halte einen Moment inne. Sprich mit ihr. Atme mit ihr. Und erinnere dich daran, dass jede Pflanze, die du berührst, ein Herz aus Leben trägt, ein Bewusstsein hat, das dich erkennt, wenn du ihr offenem Herzen begegnest.
Denn die wahre und tiefgreifende Pflanzenmagie entsteht nicht nur aus Rezepten und Wissen, sondern aus Beziehung, Achtsamkeit und Begegnung.
Maria Solva Roithinger