30/11/2025
Ich möchte heute Morgen ein weiteres weises Teaching von Sonia Emilia Rainbow mit euch teilen.
Die Dunkelzeit, durch die wir jetzt wandern, öffnet und Zeit und Raum in der Stille gut hinzusehen und zu lauschen auf unsere Rollen.
Uns und unsere Gewänder ehrlich zu prüfen, loszulassen, stillzustehen und uns dann in unser Essenz neu zu erträumen 🙏🏽💚🙏🏽💚.
Wer tiefer in die Medizinkraft der Steinspirale eintauchen möchte, hat nächsten Sommer im Bezirk Baden / NÖ an einem wundervollen Naturplatz wieder Gelegenheit dazu 🌀🌈💚.
Eine Frau sprach auf meinem letzten Retreat zu mir. Sie konnte genau sagen, was bei ihrer Schwester falsch lief. Wie ihr Mann sich verhielt. Was ihre Kollegin hätte tun sollen. Ihre Augen waren scharf, wenn sie von anderen sprach.
Als ich sie fragte: "Und du? Was siehst du, wenn du dich selbst anschaust?" – wurde es still.
Ich kenne das. Menschen die einen Medizinweg gehen, fühlen ihre Wunden oft früh. Denn diese brennen, fordern Aufmerksamkeit, verlangen Heilung.
So arbeiten wir daran, heilen, lösen auf. Doch etwas anderes bleibt lange im Verborgenen. Und es ist so wichtig, dies zu sehen.
Die Wunden zu sehen ist der erste Schritt. Aber zu erkennen, welche Rolle wir gerade spielen im Leben – das ist ein anderer Weg. Ein tieferer, unangenehmer.
Wir alle tragen Kostüme in unserem Leben. Drei sind es vor allem, die wir anziehen, wieder ablegen, erneut überwerfen – oft ohne es zu merken. Manchmal innerhalb eines einzigen Tages. Morgens die eine, mittags die nächste, abends die dritte. Diese Rollen wechseln wie die Gezeiten, wie der Wind, der dreht.
Opfer. Täter. Retter.
Vor Jahrzehnten saß ich am Rand eines alten Brunnens. Das Wasser war trüb vom Sand, den meine Kinder hineingeworfen hatten. Ich wollte auf den Grund sehen, aber ich sah nur aufgewühltes Braun. Ich wartete. Der Sand sank langsam zu Boden. Das Wasser wurde ruhig, wurde klar. Ich sah bis auf den Grund, bis zu den alten Steinen, die dort lagen.
So ist es auch mit uns.
In der Stille, dort wo die Worte enden, wo nur noch dein Atem ist, setzt sich, was dich trübt. Dann siehst du, was darunter liegt.
Manchmal sind wir das Opfer. Die Welt tut uns weh, die Menschen verletzen uns, das Schicksal ist grausam. Wir fühlen uns klein wie ein Kind, das sich im Wald verlaufen hat.
Dann werden wir zum Retter. Wir helfen, reparieren, machen es besser für andere. Wir brauchen Menschen, die uns brauchen. Wir fühlen uns groß, wichtig, gebraucht wie der Regen im Sommer.
Und manchmal – das ist am schwersten zu sehen – sind wir der Täter. Mit Worten scharf wie Dornen, mit Schweigen kalt wie Winterwind, mit der Macht, die wir haben. Wir fühlen uns im Recht, stark wie der Sturm.
Diese drei Gesichter wechseln ständig. Morgens das Opfer, mittags der Retter, abends der Täter. Ein endloses Kreisen. Wir laufen unsere Bahn wie der Käfer im Glas, immer am Rand entlang.
Wie kommen wir heraus aus diesem Kreisen?
Indem wir die Kostüme ablegen. Indem wir loslassen, was uns eng geworden ist.
Einmal sah ich in Kroatien eine Schlange auf meinem Weg durch die Wälder. Sie schob sich langsam aus ihrer alten Haut, Windung für Windung. Darunter schimmerte schon die neue, glatt und hell. Die alte Haut blieb zurück wie ein leeres Kleid. Die Schlange glitt weiter ins Gras, in die warme Sonne des Morgens. Sie blickte nicht zurück.
So können auch wir die alten Rollen zurücklassen. Sie passen uns eigentlich schon längst nicht mehr. Darunter liegt etwas Neues, das wachsen will.
In unseren Zeremonien legen wir oft eine Spirale auf den Boden. Mit Steinen vom Fluss, mit gelbem Maismehl, mit dem, was gerade da ist. Ich bin sie oft gegangen, barfuß auf der Erde.
Du beginnst am Rand, weit draußen. Deine Schritte führen dich in Umdrehungen zur Mitte. Mit jeder Runde gehst du tiefer in dein Leben zurück. Du siehst, was war. Du lässt los, was dich hält.
Im Zentrum angekommen, erreichst du das große Nichts. Das Feld, in dem alles möglich ist. Dort ist der Ort vor der Geburt.
Dann gehst du den Weg zurück nach draußen, Umdrehung für Umdrehung. Jetzt denkst du an all das, was du in dein Leben einladen möchtest. Du webst es mit jedem Schritt. Du gebierst dich neu. Wenn du wieder am Rand stehst, bist du ein anderer Mensch. Spirale ist Neugeburt ist ein starkes Ritual.
So ist es auch mit unseren Absichten. Lange denken wir, wir müssen nur klar wissen, was wir wollen - dann wird es geschehen. Wie ein Pfeil, der geradeaus zum Ziel fliegt.
Aber die Spirale zeigt uns etwas anderes. Loslassen, dann neu ausrichten - nicht umgekehrt. Wenn wir eine Absicht setzen, während wir noch in unseren alten Rollen stecken, kommt die Absicht aus der Rolle, nicht aus unserem wahren Wesen.
Der Retter sagt: "Ich will Grenzen setzen." Aber was er wirklich meint: Ich will endlich Nein sagen dürfen, ohne mich schuldig zu fühlen. Ohne Angst, nicht mehr geliebt zu werden. Er will immer noch gefallen, nur anders.
Das Opfer sagt: "Ich will stark werden." Aber was es wirklich meint: Ich will so stark sein, dass mir niemand mehr wehtun kann. Ich will mich schützen, mich verhärten, mich unverwundbar machen. Es bleibt in der Angst, verletzt zu werden.
Der Täter sagt: "Ich will friedlich sein." Aber was er wirklich meint: Ich will, dass endlich Ruhe ist. Dass alle tun, was ich sage, damit ich nicht mehr kämpfen muss. Er will immer noch Kontrolle, nur ohne den Konflikt.
Die wahre Absicht entsteht erst, wenn wir die Kostüme abgelegt haben. Wenn wir im Zentrum der Spirale stehen, im großen Nichts, wo alle Rollen schweigen.
Dann will der Retter einfach geben - ohne zu brauchen, gebraucht zu werden.
Das Opfer will einfach leben - ohne Angst, ohne Schutzpanzer.
Der Täter will einfach sein - ohne beweisen zu müssen, dass er recht hat.
Dort, wo wir einfach sind, wissen wir, was wir wirklich wollen.
Die Frau kam nach dem Seminar wieder zu mir um sich zu verabschieden. Diesmal waren ihre Augen anders. Weicher. Ein Frieden lag darin, den ich vorher nicht gesehen hatte. Sie erzählte von dem, was sie in sich gesehen hatte.
"Ich dachte, ich bin die Gute, die allen hilft", sagte sie. "Jetzt sehe ich: Ich konnte es nur ertragen, wenn andere mich brauchten. Ich wusste dann, wer ich bin. Ohne das war ich leer wie ein ausgetrockneter Fluss."
Sie weinte. Dann lachte sie, ein Lachen wie das erste Grün nach dem Winter.
Das Wasser in ihrem Brunnen war klar geworden.
Freiheit kommt, wenn wir aufhören, uns mit den Rollen und Geschichten zu verwechseln. Wenn unsere Energie fließt wie Wasser zwischen Steinen – ohne zu fragen, ohne zu zögern, zu verlgleichen oder kalkulieren, einfach dem Gefälle folgend.
Dann sind wir einfach da. Präsent.
Ohne die Last der Geschichte, die wir über uns erzählen.
Oder die andere über uns erzählen,
Erinnere dich an einen Moment, in dem du frei warst von diesen Mustern. Wie hat sich das angefühlt?
Der heilige Traum deines Herzens offenbart sich genau in diesen Momenten – wenn du einfach da bist. Frei von den Rollen.
Das Erbe deiner Ahnen pulsiert in deinem Blut.
Deine Mission ruft dich, sanft wie der Wind durch die Gräser weht.
Und dich aus deinem Erdenschlaf weckt.
Habt einen schönen Sonntag und
in Verbundenheit
Sonia Emilia Rainbow
Das Foto wurde von Doris Fernandez Ruiz auf meinem letzten VisiondreamDance gezeichnet.