23/10/2025
Eine MUT-Geschichte:
„Niemand hat mir je das Nähen beigebracht.
Ich habe es gelernt, weil ich keine andere Wahl hatte.
Am Anfang war es keine Kunst – es war Überleben.”
Ich wurde in Armut geboren.
Ich verlor meine Mutter, als ich zwölf war.
Und mein Vater, er verschwand einfach.
Als hätten wir nie eine Bedeutung gehabt.
Das Waisenhaus war kalt.
Die Wände – grau, die Stille – schwer, und die Strafen – hart.
Die Gebete hallten laut, vermischt mit dem trockenen Knacken des Fadens, der in meinen Händen riss.
Die Nonnen legten mir eine Nadel in die Hand.
„So wirst du einmal ein anständiges Leben führen, Gabrielle“, sagten sie,
während sie jeden meiner Stiche genau beobachteten.
Aber ich wollte kein anständiges Leben.
Was soll das überhaupt heißen?
Unsichtbar sein? Sich mit den Krümeln zufriedengeben?
Eines Tages fragte ich:
„Was bedeutet es, ein eigenes Leben zu haben?“
Schwester Bernadette sah mich an, als hätte ich gesündigt.
„Es bedeutet, nicht auf die Straße zurückzukehren“, antwortete sie kühl.
Aber in mir brannte schon damals ein Feuer.
Ich wollte nicht nur überleben – ich wollte fliegen.
Jeder Stich war ein Versprechen an mich selbst:
„Ich werde nicht hierbleiben.
Ich werde nicht das werden, was andere aus mir machen wollen.“
Als ich meinen ersten Hut verkaufte, lachten die Leute.
„Eine Frau mit einem eigenen Laden? Wie lächerlich.“
„Die Tochter eines fahrenden Händlers spielt Modedesignerin – erbärmlich.“
Sie wussten nicht, mit wem sie es zu tun hatten.
Ein Mann fragte mich spöttisch:
„Hast du das gemacht? Sieht elegant aus. Ich dachte, das sei aus Paris.“
„Es ist aus Paris“, antwortete ich.
„Denn ich bin Paris. Ihr wisst es nur noch nicht.“
Mit jedem Hut, jedem Kleid, jedem gebrochenen Tabu
kam ich der Frau näher, die ich in meinen Träumen sah –
frei. stark. unbesiegbar.
Ich schnitt mir die Haare kurz,
als alle Frauen noch lange trugen.
„Du siehst aus wie ein Mann“, flüsterten sie hinter meinem Rücken.
Sie nannten mich rebellisch, unverschämt, vulgär.
Ich sah, wie der Krieg ganze Städte vom Erdboden wischte.
Wie meine Boutiquen geschlossen wurden.
Wie meine Kollektionen verschwanden.
„Chanel ist Vergangenheit“, sagten sie. „Ihre Zeit ist vorbei.“
Sie wussten nicht, wer ich bin.
Ich kehrte zurück, als alle dachten, ich sei verschwunden,
und erinnerte sie daran:
„Ich bin nicht nur ein Name. Ich bin eine Idee.
Ein Schrei des Mutes, gewebt aus Seide.“
Chanel No. 5 wurde der berühmteste Duft der Welt.
Aber mein wahrer Duft war ein anderer –
der Duft von Aufbruch, Feuer und Träumen,
die keine Erlaubnis brauchen.
Eine junge Designerin fragte mich einmal:
„Wie riecht Mut?“
Ich antwortete:
„Er riecht nach Unbeugsamkeit.
Nach Parfüm mit Narben.“
Und wenn ich zu dem kleinen Mädchen sprechen könnte,
das damals weinend im grauen Bett des Waisenhauses lag,
würde ich ihm sagen:
„Lass nicht zu, dass der Schlamm, in dem du geboren wurdest, bestimmt,
wie hoch du blühen kannst.
Die stärksten Blumen wachsen aus den Ruinen.“🌹
Coco Chanel
Pic: pixabay