24/11/2025
Zwischen Mut und Vorsicht
Ein junger Mann erzählt mir:
Ich bin 35 Jahre alt und lebe in der Stadt. Eigentlich würde ich mich als selbstbewusst bezeichnen – ich stehe zu meiner Sexualität, habe liebe Freunde, einen festen Freund und einen Job, den ich mag.
Und trotzdem gibt es diese Momente, in denen ich mich einfach nicht sicher fühle. Nicht, weil ich mich schäme – sondern weil ich nie ganz weiß, wie die Umgebung reagieren wird.
Im Sommer bin ich mit meinem Partner nach einem Konzert Hand in Hand nach Hause gegangen. Für uns war das etwas völlig Normales – wir waren glücklich, die Musik war toll, die Nacht warm. Dann haben wir ein paar Männer lachen und etwas rufen hören. Erst dachten wir, es gilt jemand anderem, bis einer von ihnen uns direkt „Schwuchteln“ hinterherrief.
Es war laut, aggressiv, so, dass mir das Herz in die Hose rutschte. Wir sind einfach weitergegangen, aber ich habe mich unwohl gefühlt. Dieses Gefühl, plötzlich zur Zielscheibe zu werden, nur, weil man liebt, wen man liebt – das bleibt hängen.
Seitdem ertappe ich mich dabei, dass ich die Hand meines Freundes loslasse, wenn wir draußen sind. Nicht, weil ich das will, sondern weil ich mich schützen will. Ich hasse dieses Gefühl – diese Mischung aus Angst und Scham, obwohl ich weiß, dass ich nichts Falsches tue. Aber Sicherheit ist manchmal kein Fakt, sondern ein Gefühl. Und das fehlt mir in der Öffentlichkeit oft.
Ich weiß, dass es viele Orte und Menschen gibt, die offen und tolerant sind. In meiner Bubble – auf der Arbeit, bei Freunden – fühle ich mich frei. Aber sobald ich die Tür verlasse, ist da dieses kleine Ziehen im Bauch, diese Stimme, die fragt: „Ist das hier ein sicherer Ort für dich?“
Ich wünsche mir, dass sich das irgendwann ändert. Dass ich wieder einfach Hand in Hand gehen kann, ohne nachzudenken. Dass meine Angst irgendwann durch Selbstverständlichkeit ersetzt wird. Aber im Moment ist das leider noch nicht meine Realität.
Ein Wertfunken von Manuela Stal, Assistenz Wertemanagement Vinzenz Gruppe
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