28/11/2025
Ihr Lieben,
seit einigen Tagen beschäftigt mich das Thema Angst – nicht irgendeine Angst, sondern die Angst vor Liebe, vor liebevollen Beziehungen und davor, sich verletzlich zu machen.
Ich beobachte, wie sich diese innere Unruhe in Projektionen nach außen zeigt. Das bedeutet, ich übertrage unbewusst alte, unverheilte Verletzungen auf die Gegenwart und erschaffe mir so eine bildhafte Welt, die mir zu bestätigen scheint, was ich tief in mir wahrnehme: dass Liebe gefährlich ist und es keine sichere Bindung gibt.
Nur ein Beispiel aus meinem eigenen Leben:
Vor etwa 30 Jahren, frisch verheiratet, erlebte ich etwas, das zeigt, wie tief verwirrt ich damals war. Meine damalige Frau drückte ihre Liebe und Fürsorge aus: Wenn ich ausging, fragte sie liebevoll besorgt: «Wann kommst du wieder?» Wenn es mir nicht gut ging, erkundigte sie sich mitfühlend: «Was ist denn?» Doch anstatt ihre Zuwendung als Liebe zu empfinden, stieg eine tiefe, zerstörerische Wut in mir hoch. Nicht mit meiner, in mir wohnenden Liebe in Kontakt, fühlte ich mich eingesperrt, bedrängt und um meine Freiheit gebracht.
Ich konterte mit Argumenten wie: «Ich bin erwachsen, ich kann selbst entscheiden! Ich lasse mich von dir nicht bedrängen!», knallte hinter mir die Tür zu und ging. Oder ich harschte sie an: «lass mich in Ruhe!» und wendetet mich von ihr ab – und ließ einen zutiefst verletzten Menschen – damals meine Frau - zurück.
Was war geschehen? Es war eine Projektion.
Ihre liebevolles Dasein aktivierten in mir ein uraltes Trauma. Ihre gesund ausgedrückte Liebe triggerte meine unerfüllte Liebe. Im Alter von vier fünf Jahren erlebte ich im Kinderheim genau diese Gefühle: Alleine, verlassen, eingesperrt, ohne eine sichere Bindung zu meinen Eltern. Damals, als kleines Kind, rettete mich diese heftige Wut. Sie war der Schutzmechanismus, der mein innerstes, verletzliches Selbst davor bewahrte, völlig zerstört zu werden. Dieses Gefühl, festgehalten zu werden – aber an einem Ort ohne mütterliche und väterliche Liebe – war meine schmerzhaft geprägte Kindheitserfahrung.
20 Jahre später projizierte ich dieses alte Gefühl des Eingesperrtseins und Bedrängtwerdens auf meine Ehefrau, die mir doch nur Liebe schenken wollte. Der unbewusste Mechanismus, der mein Leben hatte schützen sollen, wirkte sich nun selbst- und fremdzerstörerisch auf meine Beziehung aus.
Wie gehe ich damit um?
Der erste Schritt ist die Bewusstwerdung: Welche Muster wiederholen sich da immer und immer wieder? In welchen Situationen z.B. «schlage ich emotional wild um mich»? Mit welchen Gefühlen sind diese verbunden? Dieses Sich-Öffnen kann so die Angst ins Bewusstsein rufen und emotional verstehbar machen.
Es hilft, emotional zu verstehen, dass diese Angst, verletzt zu werden, sehr weit zurückliegt. Sie hat eine tiefe Narbe in einer Zeit hinterlassen, in der ich wirklich schutzlos und verletzbar war.
Auf meinem Weg, mich mit meinen Themen auseinanderzusetzen, habe ich gelernt: Das Gefühl von Wärme, Geborgenheit und Harmonie in mir – also die Selbstliebe – kann heute nicht mehr verletzt werden. Weil diese wohlwollende Liebe in mir selbst wohnt, bin ich ihr nicht mehr ausgeliefert. Ich weiß mich heute zu schützen. Ich führe eine gesunde Beziehung mit mir selbst und kann deshalb bewusst wählen, mit wem ich meine Zeit teile – unabhängig.
Weil ich mit mir in Beziehung bin, nehme ich viel deutlicher wahr, ob sich etwas stimmig anfühlt oder nicht. Das schafft Frieden und schenkt immer wieder Momente der Freude. Das bedeutet nicht, dass in diesen wohlwollenden Räumen und Beziehungen keine Fehler oder Verletzungen geschehen – bei Weitem nicht! Aber der Wunsch nach einem empathischen Austausch, das Bedürfnis, zu verstehen und verstanden zu werden, ist vorhanden und schafft so – weil die eigene Würde und die meines Gegenübers achtsam gewahrt bleibt – eine noch bewusstere Beziehung.
Ja, es kann ein weiter und nicht einfacher Weg sein, denn er erfordert Mut, sich zu öffnen. Er braucht Mut, das eigene innere emotionale Verstehen zu lernen. Doch in uns gibt es einen Willen, diesen Weg zu gehen. In uns gibt es eine Freude, die entdecken und gestalten will. Und in uns gibt es eine gesunde Liebe. Egal, was geschehen ist – diese drei Kräfte konnten und können nicht zerstört werden und unterstützen uns kraftvoll mitfühlend.
Wie kannst auch du diesen Weg der Selbstbegegnung gehen?
Hierfür biete ich verschiedene Räume an:
• Das Offene Seminar bietet eine Möglichkeit für diese Selbstbegegnung in der Gruppe – nächstes Mal möglich am Samstag, 20. Dezember 2025.
• Ab Januar 2026 startet eine Frauengruppe.
• Ab März 2026 biete ich eine Männergruppe an.
• Ebenfalls ab März 2026 gibt es für alle, die ein tieferes Verständnis für Psychotrauma erlangen möchten, die zertifizierte Weiterbildung Identitätsorientierte Psychotraumatheorie (IoPT)
Weitere Infos und Anmeldung findest du auf meiner Webseite https://salzundstein.ch/
Ich wünsche dir eine vertrauensvolle Zukunft und freue mich darauf, dich auf deinem oder auf einem meiner Wege wiederzubegegnen.
Mit Herz & Licht
Christian
Arbeiten mit der IoPT Anliegenmethode (Identitäts-Orientierte Psychotrauma Therapie) nach Prof. Ruppert in St. Gallen/Schweiz und Online