05/11/2025
Leben in einer gemischten intakten Mehrhundehaltung
Mein jüngster Hund ist mein 5. eigener Hund. Ich hatte diverse Konstellationen. Mein erster Hund war ein Rüde, den ich spät- mit 5 Jahren kastrieren ließ, weil er in der Blüte seiner Jahre eine zunehmende sexuell motivierte Aggression gegen gleichgeschlechtliche und gleichstarke Artgenossen zeigte. Der Probelauf mit einem Kastrationchip entspannte die Lage extrem, so dass ich mich für eine Kastration entschied. Einige Jahre später kam eine junge Hündin aus dem Tierschutz dazu, die schon vor der ersten Läufigkeit kastriert wurde. Diese Hündin brachte einen ganzen Korb voll Probleme und Krankheiten mit, die zwar größtenteils nicht durch die Kastration ausgelöst waren, aber zumindest sicherlich auch nicht verbessert wurden. Sie hatte eine schwere HD und später eine beidseitige Femurkopfhalsresektion, sie war schwer allergisch und chronisch Magen-Darm-krank, hatte ein Deprivationssyndrom, ein Hyperaktivitätssyndrom und Ängste, Unsicherheiten, Leinenaggressionen. Keine leichte Aufgabe.
Einige Jahre später kam mit meinem heutigen Mann ein Rüde in diese Zweierkonstellation, den er mit einem Jahr kastriert aus dem Tierheim übernommen hatte. Taifun. Name war Programm. ABER der liebste und freundlichste Hund den man sich vorstellen kann. Nicht nur Menschen und Kindern gegenüber, sondern auch jedem Hund, Katze und sonstigem Getier. Er markiert sehr viel. Unterwegs, im Garten, gegen Mülltonnen, Stühle, Autoreifen und auch im Haus gegen den Sessel oder die Badezimmertür, wenn wir nicht aufpassen. Unschön. Und schwer wegzuerziehen, wenn es immer nur passiert, wenn man gerade nicht da ist.
Die zwei ersten Hunde sind mittlerweile im Hundehimmel. Hinzu kamen ein intakter Rüde und zwei Jahre später eine intakte Hündin. Diesmal entscheid ich mich für Border Collies von einer Züchterin. Beide sind Halbgeschwister. Und so haben wir die aktuelle Konstellation: ein mittlerweile 14-jährigen frühkastrierten Border Collie-Hovawart-Mix, ein vierjährigen intakten Border Collie Rüden und eine zweijährige intakte Border Collie Hündin. Die Hündin hat mittlerweile ihre dritte Läufigkeit hinter sich. Alle 7 Monate ist es Zeit. Und auch wenn es immer eine Zeit ist die gute Beobachtung und viel Management erfordert so kann ich doch sagen, dass ich es schön finde intakte Hunde an meiner Seite zu haben. Schon einige Wochen vor der Läufigkeit, im Präproöstrus, bemerke ich, dass die Hündin anfängt vermehrt zu markieren und die Rüden vermehrt an ihr und dem Urin schnuppern. Während der Blutung, im Proöstrus, schnuppern die Rüden vermehrt an ihr, zeigen aber noch keine Versuche sie bespringen zu wollen. Spaziergänge mit allen zusammen, auch ohne Leine sind entspannt und in unserem Beisein können sie auch im Wohnzimmer alle frei miteinander laufen. Wenn die Blutung nachlässt und sie Stehtage, die fruchtbare Zeit der Hündin kommt sind alle natürlich etwas liebestoll. Der intakte, deckerfahrene Rüde weiß Bescheid, dass die richtige Zeit gekommen ist. Nur dass ich weder meine Hündin von seinem Halbbruder decken lassen möchte noch möchte sie offenbar von ihrem Halbbruder Welpen haben, denn er wird vehement von ihr abgeschnappt. Trotzdem gehe ich kein Risiko ein und trenne beide zu dieser Zeit. Beim Spazieren ist einer an der Leine, schon damit sie sich nicht permanent belästigt fühlt. Zuhause trenne ich sie räumlich. Wenn ich wegfahre, nehme ich einen mit oder sperre die Türen zwischen den Hunden zusätzlich ab. Sicher ist sicher. Nun ist der auserwählte Herzensbub meiner Hündin der 14-jährige kastrierte Rüde. Und ich staunte nicht schlecht, als es in ihrer ersten Läufigkeit doch zum Deckakt inklusive Hängen zwischen den beiden gekommen war. Natürlich wusste ich, dass auch Kastraten decken können, und doch habe ich bei dem alten, bis dahin jungfräulichen Knaben schlichtweg nicht damit gerechnet. Nun hat es zumindest keine Konsequenz in Form von kleinen plüschigen Welpen. Aber am Tag danach war er sichtlich lädiert und mit Rückenschmerzen und Muskelkater niedergestreckt. Love hurts. Seitdem unterbinde ich auch alle Deckversuche seinerseits, sowohl um Infektionen und Deckverletzungen zu verhindern als auch um seinen alten Rücken zu schonen. Nur wenige Tage später ist der Spuk dann auch zu Ende und der Alltag hält wieder Einzug.
Der Trend geht zur Mehrhundehaltung. Das Tierschutzgesetz vierbietet eine Amputation von Körperteilen, und dazu zählen auch die Geschlechtsorgane, ohne medizinische Indikation. Glücklicherweise verbreitet sich auch das Wissen darüber welche Nachteile eine Kastration für die Tiere haben kann. In jedem Fall bleibt es eine Einzelfallentscheidung, die auch gut begründet sein muss.
Es wird also in Zukunft deutlich mehr intakte Hunde geben und auch mehr gemischt-intakte-Mehrhundehaltungen. Es wird Aufgabe der Tierärzte sein, die Tierbesitzer gut zu beraten zum Thema Kastration und Aufgabe der Hundetrainer, die Besitzer anzuleiten in der Erziehung und im Management ihres Hundes mit dem anderen Geschlecht. Die Besitzer müssen sich vor dem Anschaffen eines Hundes überlegen, ob eine gemischtgeschlechtliche Hundehaltung für sie machbar ist. Und eine pauschale Kastration von Hunden aus dem Tierschutz muss kritisch hinterfragt werden!
̈rztin