25/10/2024
Emmetropes Augenlängenwachstum
Myopie bei Schulkindern: Mit Atropin allein ist eher wenig zu gewinnen
verfasst von: Dr. med. Bianca Bach
Wer bereit ist, seinem kurzsichtigen Schulkind mindestens zwei Jahre lang Atropin-Augentropfen zu verabreichen, richtet damit keinen Schaden an, darf sich aber auch nicht zu viel versprechen.
Dass niedrigdosierte Atropin-Augentropfen ein übermäßiges Längenwachstum des Augapfels bei myopen Schulkindern bremsen können, belegen vor allem Studien aus Ostasien. Langzeitdaten deuten aber nur auf geringe Effekte. Viele Fragen sind offen, auch zum Nutzen bei Kaukasiern. Niemand muss Eltern deshalb einen Atropin-Versuch ausreden. Wichtig ist aber, beeinflussbare Umweltfaktoren nicht außer Acht zu lassen, sagte eine Ophthalmologin beim DOG-Kongress 2024.
Schauen Kinder viel in die Nähe – sei es in ein Buch oder auf das Smartphone (und das womöglich noch bei schlechten Lichtverhältnissen), regt das das Bulbuswachstum an und leistet einer Myopie Vorschub. Deshalb fragt Prof. Dr. Bettina Wabbels, Universitätsaugenklinik, Bonn, immer, wie viel Zeit kurzsichtige Kinder und Jugendliche draußen bei Tageslicht verbringen. Mindestens zwei Stunden am Tag sollten es sein – auch wenn off-label eine Atropin-Therapie eingeleitet wird, um den Myopieprogress zu verlangsamen.
„Der Hype um die Atropin-Tropfen ging richtig los mit den ATOM (Atropine for the treatment of childhood myopia)-Studien“, sagte Wabbels. Die Studienserie belegte bei 6–12jährigen Kindern in Ostasien eine dosisabhängige Wirkung auf Achslängenwachstum und Refraktion. 2016 wurden Fünf-Jahres-Vergleichs-Daten zu 0,5 %-, 0,1% und 0,01%-igem Atropin publiziert [1]. In den ersten zwei Jahren wirkten die höheren Konzentrationen besser. „Dann kam ein bisschen der Schock“, sagte Wabbels: „Wenn man das ganze wieder abgesetzt hat, hatten die, die vorher am langsamsten progredient waren, plötzlich einen Rebound, hatten also nach Absetzen ein sehr, sehr schnelles Wachstum.“ Im Endeffekt schnitten nach fünf Jahren die 0,01%-igen Tropfen am besten ab. Allerdings hatte sich in der Anfangsphase – noch gegenüber Placebo – kein klinisch signifikanter Unterschied im Achslängenwachstum ergeben, und aktuelle Fünf-Jahresdaten der Studie LAMP (Low-Concentration Atropine for Myopia Progression) aus China und Hongkong sprechen wiederum für eine Überlegenheit 0,05 %-igen Atropins [2].
Fünf Jahre Behandlung für 0,25 dpt weniger
Für kaukasische Kinder ist die Dosisfrage unbeantwortet, ebenso wie die der idealen Behandlungsdauer. „Zwei Jahre sollten es wohl mindestens sein“, sagte Wabbels. In LAMP wurde die Behandlung dann abgesetzt und bei Progress neu begonnen. Angesichts von letztlich im Mittel nur 0,25 dpt weniger Progress stellt Wabbels den Aufwand infrage: „Möchte man seinen Kindern fünf Jahre täglich Augentropfen geben – mit den Diskussionen, die das vielleicht gibt – für nachher eine Viertel Dioptrie Unterschied?“
Mehr Klarheit verspricht sich die Augenärztin von der laufenden deutschen Studie AIM (low-dose AtropIne for Myopia control in children). Mit den Resultaten der auf drei Jahre angelegten Studie, bei der in jährlich unterschiedlichen Konstellationen 0,02 % und 0,01 % Atropin gegeneinander beziehungsweise gegen Placebo getestet werden, rechnet sie in 1-2 Jahren.
„Wahrscheinlich hängt die optimale Dosierung von der Ethnizität ab, vielleicht von der Pigmentierung der Augen, sicher aber auch von den Umweltfaktoren.“ Die richtige Dosis vermutet sie „irgendwo zwischen 0,01-0,05%“, „aber wir müssen ein bisschen einen Kompromiss machen zwischen Wirkung und tolerierten Nebenwirkungen“. Immerhin gebe es keine Hinweise, dass Atropin schade. „Die Tendenz war immer günstig.“