07/11/2025
Immer wieder wird behauptet, dass ein Pferd, das auf dem Platz nicht laufen möchte, aber im Gelände sehr wohl, wahrscheinlich unentdeckte Schmerzen hat. Die Begründung lautet meist, dass jedes Pferd grundsätzlich auch auf dem Platz laufen wolle und draußen läuft es dann nur besser wegen des Adrenalins. Diese Sicht reduziert Pferde jedoch ausschließlich auf ihren Körper und blendet aus, dass ein Pferd etwas schlicht unangenehm oder langweilig finden kann.
Meine Beobachtung – bei eigenen Pferden und bei Patienten – zeigt etwas anderes, Pferde, die früher im Viereck streng daran gewöhnt worden sind, „brav zu gehen“, tun dies auch im Alter mit ersten Arthrosen noch. Nicht aus Lauffreude, sondern weil sie es gelernt haben. Die Pferde hingegen, die unausgebildet oder frei zu uns kamen, äußern ihre Meinung deutlich. Besonders junge, gesunde Pferde lehnen Platzarbeit häufig am stärksten ab – nicht aufgrund eines körperlichen Mangels, sondern weil sie die Einengung und das monotone Arbeiten nicht mögen.
Die verbreitete Behauptung, Pferde liefen draußen nur wegen höherem Adrenalin gerne, deckt sich nicht mit meinen Erfahrungen. Viele Pferde haben auf dem Platz deutlich mehr Adrenalin, weil sie dort Druck oder Drangsalierung erwarten. Im Gelände sind sie dann dagegen entspannt, aufmerksam und kooperativ. Gymnastizierende Übungen lassen sich dort ebenso gut durchführen wie im Viereck.
Ich halte es nicht für zeitgemäß, Pferde allein über ihre körperlichen Parameter zu beurteilen. Natürlich müssen Lahmheiten und Schmerzen untersucht werden, wenn ein Verdacht besteht. Aber es bringt nichts, Pferde immer wieder teuer durchchecken zu lassen, wenn sich kein körperlicher Befund findet und gleichzeitig nie berücksichtigt wird, dass auch die seelische Ebene und die Möglichkeit, eine Meinung zu äußern, eine Rolle spielen. Nicht jedes „Ich mag den Platz nicht“ ist ein Schmerzsignal – häufig ist es ein Ausdruck von Autonomie und seelischem Bedürfnis nach natürlicher Motivation.