20/05/2025
KLESHAS - Scham und Wut
„Klesha sind die Ursachen des Leidens. Sie verbergen die Wahrheit unseres Wesens.“
(Yoga Sutra II.3 – avidyā-asmitā-rāga-dveṣa-abhiniveśaḥ kleśāḥ)
Wut ist oft laut. Scham ist eher leise.
Die eine drängt nach außen, die andere zieht nach innen. Und doch entspringen beide derselben inneren Quelle: dem Gefühl, von unserem wahren Selbst getrennt zu sein.
Patanjali spricht im Yoga Sutra von den „Kleshas“ – den fünf inneren Hindernissen, die uns vom Zustand innerer Freiheit (Kaivalya) abhalten:
1. Avidya (Unwissenheit über unser wahres Selbst)
2. Asmita (Ego-Identifikation)
3. Raga (Anhaften)
4. Dvesha (Widerwille, Abneigung)
5. Abhinivesha (Angst vor dem Tod, Festhalten am Leben)
SCHAM ist oft eine Folge von „Avidya“ und „Asmita“: Wir identifizieren uns mit äußeren Maßstäben, mit Rollen, mit dem Bild, das andere von uns haben (wollen) – und verurteilen uns selbst, wenn wir diesen nicht genügen.
WUT entsteht oft aus „Dvesha“ – dem Widerstand gegen das, was ist. Wir lehnen ab, was Schmerz oder Unsicherheit in uns auslöst. Reagieren mit Aggression oder Abgrenzung.
Doch was passiert, wenn wir diese Emotionen nicht unterdrücken, sondern ihnen mit achtsamer Präsenz begegnen?
Wenn wir erkennen, dass Wut uns auf einen verletzten Teil hinweist, der gesehen werden will. Wenn wir verstehen, dass Scham eine Einladung ist, wieder sanft in Verbindung zu treten – mit uns selbst.
Patanjali lädt uns mit dem Sutra II.11 ein:
Anubhūtaviṣayāsampramoṣaḥ smṛtiḥ
„Durch Meditation können die Schwächeren der Kleshas aufgelöst werden.“
Das bedeutet nicht, dass Wut oder Scham falsch sind. Es bedeutet, dass wir mit ihnen arbeiten können, statt uns von ihnen beherrschen zu lassen. In der Stille, im bewussten Atem, auf der Matte oder im Leben.
Scham will gesehen werden. Wut will gehört werden. Und beide wollen in Wahrheit nur eins: Verbindung.
Was wäre, wenn du heute nicht gegen deine Wut kämpfst?
Was wäre, wenn du deine Scham nicht versteckst, sondern mit ihr atmest?
Du bist nicht deine Emotionen.
Du bist das Bewusstsein, das sie liebevoll hält.