02/02/2024
Heute ist Lichtmess / Imbolc, eine Zeit des Neubeginns. Historisch wurden an Lichtmess alte Verträge bearbeitet oder gekündigt und neue Verträge eingegangen. In den letzten Tagen denke ich vor allem an die Vergangenheit und Fehler der Vergangenheit.
Lange dachte ich, es wartet irgendwo ein besseres Ich auf mich in der Zukunft. Als junge Erwachsene machte ich das erste Mal eine Therapie und wurde enttäuscht, dass ich kein ganz anderer Mensch wurde und meine Lebensthemen nicht erfolgreich abgeschlossen wurden. Später trug ich diese Erwartungen an meine spirituellen Erfahrungen, aber egal ob Tai Chi, Meditation, Yoga, Reiki oder Rituale, so schön, bedeutsam, unterstütztend und tief meine Erfahrungen dabei waren, wollte sich partout keine Vollkommenheit einstellen. Mühsam müsste ich anerkennen, dass dies ein Kindheitstraum ist, der mit der menschlichen Existenz nicht vereinbar ist. Womöglich sind die Vorstellungen von Ganzheit und Unverletzbarkeit Erinnerungen aus der seelischen Ebene. Solange wir aber hier auf der Erde leben, haben wir mit den Unzulänglichkeiten des Menschseins zu tun. Wir sind fehlbare Menschen, die mit anderen fehlbaren Menschen zusammenleben.
Ich weiß, das klingt alles nicht so fröhlich für eine Neujahrsbotschaft, aber wenn wir so tun, als ob alles immer nur Licht und Liebe wäre, schneiden wir uns ab von wichtigen Teilen unseres Wesens sowie von unseren Mitmenschen und rauben uns der Fähigkeit, damit umzugehen. Somit ist die buddhistische Weisheit „Das Leben ist leiden“ kein pessimistisches Hinaufbeschwören von Problemen, sondern eine Anerkennung, dass es manchmal schwierig ist, gut durch den Tag zu kommen. Es ist das Wissen, dass es jeden von uns treffen kann, dass wir krank werden oder mit Widrigkeiten kämpfen, egal wie viel wir meditieren oder wie wir uns ernähren. Manchmal geht einfach etwas schief, ohne dass wir daran schuld sind (zugleich tragen wir selbstverständlich Verantwortung für unsere Lebensentscheidungen, aber das ist ein Thema für ein anderes Mal. Ihr seht – es ist ein komplexes Thema). Hilfreich sind folgende Haltungen:
1. Bestätigung und Würdigung der Schwere der Lage. Wenn Du oder jemand anderes leidet, wird es nicht besser durch Verleugnung. Im Gegenteil, da fühlt sich der/diejenige nicht ernstgenommen.
2. Hoffnung geben. Das Leben verändert sich immer wieder, was auch das Schwierige betrifft. Auch bei scheinbar unveränderbaren Situationen gibt es Augenblicke, die besser oder leichter sind.
3. Im Augenblick ankommen. Verwende die Sinne, um diesen Moment wahrzunehmen. Es gibt z.B. eine Übung, jeweils fünf Sachen zu benennen, die Du gerade siehst und hörst. Spüre die Tasse, aus der Du trinkst.
4. Füreinander da sein. Bei vielen spirituellen Übungen geht es um das Selbst, mit der Gefahr, dass wir den Sinn für die Gemeinschaft verlieren. Wir haben aber in diesen letzten zwei Jahren einer Pandemie deutlich gezeigt bekommen, dass wir eine gegenseitige Verantwortung tragen. Das gemeinsame Leben funktioniert dadurch, dass wir aufeinander achten. Leg eine Hand auf Deinen Solarplexus und spür nach, wie schön es ist, ein Individuum zu sein, wie schön es ist, dass Du genau die Person bist, die Du bist. Und spür weiter, wie das Licht des eigenen Seins mit vielen anderen solcher Lichter in einem Netzwerk verbunden ist. So kannst Du erahnen wie das geht, etwas für andere zu machen ohne Dich selbst aufzuopfern.
Das Licht wächst. Die Tage werden länger und, auch wenn es tief verborgen ist, bereitet sich neues Leben auf Wachstum vor.