26/10/2025
Wenn die Kompensationsstruktur kickt
Kennst du das GefĂĽhl, mit dir selbst uneins zu sein?
Als würdest du sehenden Auges in einen Zug einsteigen, von dem du genau weißt, dass er in die falsche Richtung fährt. Du siehst, wohin die Fahrt geht, du weißt, dass du aussteigen solltest – und doch tust du es nicht.
Als würdest du dich auf unsichtbaren Schienen bewegen, einem längst vorgezeichneten Weg folgen, von dem du nicht abkommen kannst, ganz gleich, wie sehr du dich auch dagegen wehrst.
Mal ganz davon abgesehen, dass du dir dafür selbstverständlich die besten Gründe zurechtlegen kannst.
Wir sind wahre Meister darin, unser eigenes Verhalten zu rechtfertigen, uns Geschichten zu erzählen, warum alles genau so richtig ist, wie es gerade ist. Niemand verarscht uns so beständig und unbemerkt wie wir uns selbst – besonders dann, wenn das Unbewusste am Steuer sitzt und alte Muster übernehmen.
Da ist dieser rationale, erwachsene, vernünftige Anteil in dir, der klar erkennt, was gut und richtig wäre – welche Handlung, welches Wort jetzt stimmig wäre. Und dennoch ist da gleichzeitig dieser kindliche Anteil, der aus altem Schmerz heraus handelt, aus Sehnsucht, aus innerer Not.
Ich nenne das gern: wenn die Kompensationsstruktur kickt. Was nichts anderes bedeutet, als dass erlernte Muster greifen – lange bevor du dir ihrer bewusst wirst oder spürst, was in Wahrheit dein Handeln bestimmt.
Ich fürchte, uns würde schwindelig werden, wenn uns bewusst wäre, wie oft wir aus dem kindlichen Bedürfnis heraus handeln – geliebt, akzeptiert, anerkannt und wertgeschätzt werden zu wollen.
Es ist noch nicht einmal immer der große, dramatische Moment, der uns erfasst. Oft sind es die leisen, fast alltäglichen Situationen, in denen der Schmerz, das alte emotionale Erleben, unbemerkt die Regie übernimmt.
➡️ Wenn du deinem Partner eigentlich jeden Freiraum geben möchtest, weil dein erwachsenes Ich Vertrauen und Respekt leben will – und du dich trotzdem dabei ertappst, wie du kontrollierst, festhältst, lenken willst.
➡️ Oder wenn du jemandem hinterherläufst, der längst signalisiert hat, dass er dich nicht will, oder nicht bereit ist für eine Beziehung – und du trotzdem nicht loslassen kannst, weil etwas in dir hofft, diesmal möge der Ausgang ein anderer sein.
➡️ Wenn du nach einer Verletzung endlos erklärst, rechtfertigst, analysierst, in der Hoffnung, der andere möge dich endlich verstehen – statt die Grenze zu ziehen, die dich schützen würde.
➡️ Manchmal zeigt es sich subtiler: in dem Drang, immer recht haben zu wollen. Und du dich dadurch in Diskussionen und Machtkämpfe verstrickst, weil du glaubst, deine Wahrheit müsse gelten, sonst würdest du nicht gesehen.
➡️ Oder wenn du dich nur dann sicher fühlst, wenn du die Kontrolle behältst – in der irrigen Annahme, Kontrolle könne das verhindern, was einst so wehgetan hat: das Gefühl, übersehen, nicht gewählt, nicht gehalten worden zu sein.
All das sind Spuren alter Prägung.
Der Versuch des kindlichen Anteils, etwas zu heilen, was längst vergangen ist – in der Hoffnung, diesmal möge die Geschichte anders ausgehen.
Doch unsere Partner, unsere Mitmenschen, sind nicht die Eltern von damals. Sie können die alte Leere nicht füllen, den Schmerz nicht tilgen, das Bedürfnis nicht stillen.
Und das ist auch nicht ihre Aufgabe.
Es ist unsere eigene. Wir dürfen zu den Eltern werden die wir früher gebraucht hätte. Wir dürfen nach innen reisen und uns dieser Anteile liebevoll annehmen.
Wer sich dabei UnterstĂĽtzung wĂĽnscht, ist herzlich eingeladen sich bei mir zu melden.
Gemeinsam fĂĽr befreyte Zeiten. Janina Freynhagen.