18/10/2025
Meine Oma war genial.
Sie glaubte an die Kraft des Lebens, an die Natur – und an Gott.
Wir liefen barfuß im Schnee. Jeden Abend gingen wir spazieren. Zu Weihnachten suchten wir nach dem ersten Stern am Himmel – erst wenn er erschien, durften wir essen.
Manchmal blieb sie mitten auf der Straße stehen und sagte:
„Zieht die Mützen aus. Wir müssen uns mit der kosmischen Energie verbinden.“
Sie machte uns auf der Straße Eisflächen – einfach mit ein paar Eimern Wasser, das über Nacht gefror. „Jetzt könnt ihr gleiten“, sagte sie. Und wir glitten, lachten, fielen, standen wieder auf.
Als in Dnipropetrowsk das erste McDonald’s eröffnete, war das für uns Kinder ein Traum. Diese glänzenden Schilder, der Geruch, das Gefühl von „westlicher Welt“. Wir zogen Oma an der Hand hinein. Sie atmete tief ein, sah auf das Menü und sagte nur:
„Hier essen wir nicht. Hier gibt es nichts von Natur.“
Ich weinte, als wir hinausgingen. Doch Oma drückte uns Äpfel in die Hände.
Abends hörten wir Märchen auf Schallplatten. In unserem Schlafzimmer lagen überall Kürbisse – unter den Betten, in den Ecken. Oma hatte einen Garten, und die Ernte musste irgendwo hin. Ich habe Kürbisse meine ganze Kindheit gehasst.
Heute ist das anders. Wenn ich jetzt Kürbis esse, entdecke ich seinen Geschmack neu – und erinnere mich an Oma.
Mein Lieblingsessen waren ihre Wareniki mit Sauerkirschen. Große, dampfende Wareniki, aus denen der Kirschsaft herauslief, wenn man sie anstach. Der Saft tropfte über die Finger, und man konnte gar nicht anders, als ihn abzulecken.
Als der Krieg in der Ukraine begann, dachte ich: Zum Glück lebt sie nicht mehr. Zum Glück muss sie das alles nicht erleben.
Aber ich vermisse sie – ihre Hände, ihre Stimme, ihre Welt, in der alles Sinn hatte.
Je älter ich werde, desto mehr spüre ich, wie viel ich in mir trage von den Frauen, aus denen ich komme.
Ich bin ihnen dankbar für die Verbindung zur Natur, die mich immer ruft – wenn ich an kalten Samstagmorgen statt im warmen Bett im See sitze, atme, friere und die Natur in mir spüre.
❤️