08/11/2013
Ist das obstruktive Schlafapnoesyndrom
ein Risikofaktor für das metabolische Syndrom?
Einleitung
Nach der Erstbeschreibung des Schlafapnoesyndroms Ende
der 1960er Jahre kam es zu einer regelrechten Publikationsflut zum Thema mit einer Vielzahl von klinischen und experimentellen Untersuchungen, die sich eindringlich mit den zugrunde liegenden Mechanismen und den Folgen dieses Krankheitsbildes auseinandersetzten. Die wohl häufigste Form einer Schlafatemstörung ist das obstruktive Schlafapnoesyndrom (OSAS) mit einer Prävalenz von 2–4 % bei Frauen und 4–7 % bei Männern ab dem 35. Lebensjahr [1]. Klinisch ist das OSAS durch lautes Schnarchen mit nächtlichen „Atemaussetzern“ (Apnoen) und exzessive Tagesmüdigkeit charakterisiert. Adipositas ist der Hauptrisikofaktor für die Entwicklung eines obstruktiven Schlafapnoesyndroms. Pathophysiologisch definiert sich das OSAS durch einen Tonusverlust der oro- und hypopharyngealen Muskulatur mit einem daraus resultierenden partiellen (Hypopnoe) oder kompletten
(Apnoe) Verschluss der oberen Atemwege und konsekutiven
Sauerstoffdesaturationen im Schlaf. Die Atemflusslimitationen können in Einzelfällen bis zu 60 Sekunden andauernund in schweren Fällen sogar bis zu 80 Mal pro Stunde auftreten. Apnoe und Hypopnoe werden in der Regel von einer kortikalen Weckreaktion beendet, die zu einer Erhöhung des Muskeltonus der oberen Atemwege führt. Die Bestätigung der klinischen Verdachtsdiagnose OSAS erfordert eine ambulante oder stationäre nächtliche Untersuchung von Atemfluss, Atembewegungen des Thorax und Abdomen, Sauerstoffsättigung und Lageposition (Polygraphie). Die Schlafarchitektur kann jedoch lediglich mittels Polysomnographie inklusive EEG und Videoüberwachung, vorzugsweise im stationären
Setting, beurteilt werden. Die Anzahl von Apnoe und
Hypopnoe pro Stunde Schlaf (AHI: Apnoe-Hypopnoe-Index)
definiert den Schweregrad der Erkrankung.
Therapie der Wahl bei symptomatischem obstruktivem Schlafapnoesyndrom ist neben der obligatorisch erforderlichen Gewichtsreduktion der Einsatz der CPAP-Maskentherapie. Dabei führt eine kontinuierliche Überdruckapplikation (positive Druckbeatmung via Nasen- oder Nasen-Mundmaske) zu einer pneumatischen Schienung der oberen Atemwege. Weitere Therapiemöglichkeiten
sind die Korrektur anatomischer Fehlstellungen
durch mandibuläre Protrusionshilfen oder HNOoperative
Maßnahmen und/oder Lagetraining.
Neben der typischen klinischen Charakteristik (Adipositas,
Schnarchen, nächtliche Atemaussetzer, Tagesmüdigkeit) findet sich bei vielen Patienten mit OSAS auch ein metabolisches Syndrom [2, 3]. Abbildung 1 zeigt die potentiellen Mechanismen auf, die als Risikofaktoren für Komponenten des
metabolischen Syndroms bei Patienten mit obstruktivem
Schlafapnoesyndrom propagiert werden. Im Folgenden werdendie Zusammenhänge zwischen dem Krankheitsbild
OSAS und dem metabolischen Syndrom anhand der vorhandenen Literatur diskutiert und zusammengefasst.
OSAS und Adipositas Ungefähr 70 % der OSAS-Patienten sind adipös und ca. 40 % einer Adipositaspopulation leiden unter einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom. Eine Gewichtszunahme von 10 kg bewirkt ein mehrfach erhöhtes Risiko (Odds Ratio > 5), an OSAS zu erkranken bzw. ein vorbestehendes OSAS zu verstärken [4].
Umgekehrt führt eine Gewichtsabnahme von 10 % des Körpergewichts zu einer 26%-igen Verbesserung des AHI bei Patienten mit OSAS [5]. Die mit OSAS verbundene Adipositas erweist sich in vielen Fällen jedoch bedauerlicherweise als therapieresistent bzw. therapierefraktär, vielmehr noch gibt es
Hinweise, dass Patienten mit OSAS aufgrund der begleitende Tagesmüdigkeit und der daraus resultierenden Inaktivität noch weiter an Gewicht zunehmen [6]. Neben der subkutanen Fettverteilung im Halsbereich, wobei in der klinischen Praxis häufig der Nackenumfang als Surrogatparameter verwendet wird, gilt das Ausmaß der viszeralen Fettmasse als ein weiterer sehr potenter Prädiktor für den Schweregrad eines OSAS. In einer Studie von Vgontzas et al. [7] konnten die Autoren mittels computertomographischer Analysen eine gute Korrelation
zwischen dem viszeralen Fettgewebsanteil, dem
Schweregrad des OSAS und der begleitenden Tagesmüdigkeit feststellen.
Vice versa kann durch eine suffiziente CPAP-Maskentherapie
eine Reduktion der viszeralen, jedoch nicht der subkutanen
Fettmasse erzielt werden [8]. Die Auswirkungen der Beatmungstherapie auf die viszerale Fettmasse dürften somit auch systemische Stoffwechselprozesse beeinflussen und weit über die mechanische Schienung der oberen Atemwege hinausgehen. Die durch CPAP-Therapie erzielte Normalisierung der nächtlichen Sauerstoffsättigung bei Patienten mit OSAS wirkt sich auch auf andere Bereiche des Fettstoffwechsels aus.
Steiropoulos et al. [9] konnten in einer rezenten Arbeit eine
Verbesserung des Lipidprofils mittels CPAP-Therapie in Abhängigkeit von der Patientencompliance demonstrieren. Andere kürzlich veröffentlichte Studien untersuchten den Einfluss nächtlicher Hypoxien bei OSAS auf zirkulierende
Leptinspiegel. Leptin ist ein Proteohormon, das von Adipozyten produziert und abgegeben wird. Leptin hemmt das Auftreten von Hungergefühlen und spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Fettstoffwechsels von Menschen. Zirkulierende Leptinspiegel sind bei OSAS in erster Linie als Ausdruck der Adipositas-assoziierten Leptinresistenz zu verstehen [10]. Erhöhte Leptinspiegel finden sich jedoch auch bei normalgewichtigen Patienten mit OSAS [11]. Eine entsprechende Therapie mittels CPAP führt selbst bei Ausbleiben von Gewichtsveränderungen zu einer Reduktion der Leptinspiegel [12]. Letztere Beobachtung entspricht einer Tendenz zur „Normalisierung“ der metabolischen Dysregulation mittels regelmäßiger Anwendung der nächtlichen Maskenbeatmung.