25/02/2016
Ein einfühlsames Geschäftsfeld
Publiziert am 21/02/2014 von sts
Brustprothetik nach Mammakarzinom
– Auszug aus einem Artikel in der bundesweit erscheinenden Fachzeitschrift MTD für Sanitätshäuser und medizinische Institutionen
Seit fünf Jahren unterhält das Darmstädter Sanitätshaus Kattler auf rund 60 qm ein spezielles Epithesencenter. Dort können in einer ansprechenden Wohlfühlatmosphäre brustoperierte Frauen beraten werden. Neben Epithesen stehen ansprechende Bademoden und Dessous zur Auswahl. Außerdem können zur Behandlung von Lymphödemen entsprechende Armstrümpfe ausgemessen und angepasst werden. Wie sich dieses intime Geschäftsfeld einfühlsam und kompetent meistern lässt, erklärt Geschäftsführerin Kirsten Walter im MTD-Interview mit Ingrid Tauchert, Fachkrankenschwester und zertifizierte Pain-Nurse für Schmerzmanagement in der Pflege.
Frau Walter, viele Hilfsmittelversorgungen tangieren sehr intime Lebensbereiche der Betroffenen. Worin zeichnet sich die Betreuung brustoperierter Frauen besonders aus?
Die Damen befinden sich psychisch wie physisch in einem absoluten Ausnahmezustand. Hier ist in hohem Maße Sensibilität und Fachkompetenz gefragt. Deshalb haben wir in diesem Bereich nur examinierte Krankenschwestern eingesetzt. Selbstverständlich haben alle Mitarbeiterinnen ihre Qualifikation durch mehrtägige Schulungen unserer wichtigen Lieferanten erhalten.
Sie haben dem vor fünf Jahren Rechnung getragen, indem sie in der Etage über dem Sanitätshaus ein spezielles Refugium eingerichtet haben …
Nach meinem Eintritt in die Firma etablierte ich nach kurzer Zeit das Brustzentrum in der ersten Etage unseres Hauses. Mir wurde sehr schnell bewusst, die Damen befinden sich oft noch in einem Stimmungstief. Sie brauchen absolute Ruhe, Zeit und unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Sehr oft kommen sie in Begleitung von ihrem Partner, der Tochter oder der besten Freundin. Eine entsprechende Beratungsatmosphäre ist im täglichen Verkaufsumfeld unmöglich zu realisieren. In wenigen Monaten entstand unsere heutige erste Etage mit kleinem Sitzbereich für die Erstberatung oder die persönliche Begleitung. Zusätzlich haben wir ein Anprobezimmer mit Spiegeln eingerichtet, das uns großzügigen Platz für Epithesen, Bademode und BHs lässt. Für die Damen hat das den großen Vorteil, dass sie immer sofort versorgt werden können. Selbstverständlich ist bei einer umfassenden Beratung von durchaus einer Stunde auch ein Kaffee oder ein Vitaminwasser inbegriffen. In den letzten Jahren war die Rückmeldung der Damen außergewöhnlich positiv. Für unser Konzept spricht auch, dass wir mittlerweile sehr viele Kundinnen aus angrenzenden Bundesländern zu unserer Klientel zählen dürfen.
Existenzielle Fragen
Mit welchen Anfragen und Bedürfnissen kommen die Frauen zu Ihnen?
Die Anfragen sind sehr weitreichend, von Versorgung direkt nach der OP bis zur Endversorgung mit einer Silikonprothese. Gerne geben wir den Damen eine Epithese in die Hand, damit sie ein Gefühl dafür erhalten und spüren, wie authentisch sich diese in Form, Weichheit, Fülle und Gewicht anfühlt. Im Optimalfall wird die Epithese wie ein Teil ihres Körpers. „Kann ich ohne Prothesen leben“, lautet immer wieder eine Frage, egal ob bei einseitig oder beidseits amputierter Brust. Hier antworten wir mit einem klaren Nein! Denn die weibliche Körperstatik ist auf die vorhandene Brust und deren individuelles Gewicht ausgelegt. Ungleichgewichte lösen in wenigen Monaten Nacken- und Rückenschmerzen aus. Deshalb kann man auch nicht einfach eine viel größere Brustgröße als vor der OP wählen. Bei einseitiger Amputation schließt sich die Größenänderung mit der Anpassung an die erhaltene Brust sowieso aus.
Häufig kommt der erste Kontakt in der Klinik zustande. Wie gestaltet sich hier die Zusammenarbeit und mit welchen Krankenhäusern kooperieren Sie?
Unser größter Wunsch ist, dass der erste Kontakt zu den betroffenen Damen noch vor dem eigentlichen Klinikaufenthalt stattfindet. Da unsere Mitarbeiterinnen fachlich auf dem neuesten Stand sind und die Feinfühligkeit im psychischen Aspekt, sowie in medizinischer Hinsicht besitzen, können die Kundinnen aufgrund vielfältiger Informationen eine effektive Entscheidung bei ihrem betreuenden Arzt treffen. Für einen großen Teil der brustkrebserkrankten Frauen wäre es von bedeutendem Vorteil, wenn wir tatsächlich einen engeren Kontakt zu den Ärzten/innen hätten. Was die Möglichkeiten der Hilfsmittel-Versorgung betrifft, so sind bei weitem nicht alle auf dem neuesten Stand, weder abrechnungstechnisch noch in den vielfältigen verschreibungsfähigen Angeboten. Die betroffenen Damen könnten dann am Tag ihrer Entlassung mit einer absolut schmerzfreien und nicht sichtbaren sog. Erstversorgung nach Hause gehen. Dies spielt für Brustoperierte eine sehr große Rolle, denn niemand – nicht der beste Psychologe – kann sich in diese kolossale Ausnahmesituation einfühlen. Unsere medizinisch ausgebildeten Fachberaterinnen sind hier näher an den betroffenen Frauen dran. Wichtig ist es für die Frauen zu wissen, welche und wie viele Teile verschreibungsfähig sind und welche Beträge die Krankenkasse für BHs und Badeanzüge übernimmt und was sie dann ggf. bei teureren Modellen selber bezahlen müssen. Die Beraterinnen aus dem Sanitätshaus wissen oft mehr als die Ärzte/innen. Dazu zählen Infos, dass z. B. die Frauen von der Krankenkasse zwei BHs pro Jahr erstattet bekommen, alle drei Jahre einen Badeanzug mit kleiner Zuzahlung und vieles mehr. Das ist für ganz viele Damen von großer Relevanz.