07/08/2025
Super auf den Punkt gebracht.
Sterben ist das einzige Event mit vollständiger Gästeliste.
Keiner fehlt, keiner kommt zu spät, keiner kann absagen mit „Sorry, ganz vergessen“. Der Tod kennt keine Ausreden. Er ist pünktlich, zuverlässig, emotionslos – quasi der deutsche Bahnmitarbeiter unter den metaphysischen Konzepten. Nur ohne Verspätung.
Und trotzdem reden wir nicht gern über ihn.
Der Tod stört. Passt nicht in unsere Kaffeekränzchen, nicht in Smalltalkrunden und schon gar nicht in Instagram-Stories. Niemand sagt beiläufig: „Ich hab neulich überlegt, wie ich am liebsten sterben möchte.“ Warum eigentlich nicht?
Der Tod ist das letzte große Abenteuer. Der Moment, in dem wir erfahren, ob da noch etwas kommt – oder ob alles einfach nur still wird.
Jeder hat ein anderes Bild davon.
Die einen wünschen sich, im Schlaf zu gehen – leise, friedlich, fast unbemerkt.
Andere träumen davon, mit 120 barfuß auf einem Vulkan zu tanzen, das Leben ausbrennend bis zur letzten Glut.
Und dann gibt es die Bodenständigen: „Hauptsache nicht auf dem Klo.“
Aber der Tod hält sich selten an Wunschlisten.
Er kommt nicht, wenn es passt. Er fragt nicht, ob es gerade gut läuft. Manchmal klopft er mitten in den schönsten Moment hinein. Und manchmal schleicht er sich an, lautlos, schmerzfrei – und doch unendlich schwer.
Vielleicht fürchten wir ihn nicht wegen des Schmerzes, sondern wegen des Ungewissen.
Wir Menschen hassen Unklarheit.
Stell dir vor, du bestellst im Restaurant, und der Kellner sagt nur: „Kommt gleich. Aber ich verrate nicht, was.“
Das ist der Tod in kulinarischer Form.
Vielleicht kommt danach das große Nichts.
Vielleicht ein Ort mit Wolken, Harfen und ewigem Frieden.
Vielleicht kehren wir zurück – als Schmetterling.
Oder, wenn es richtig mies läuft, als Kundenberater bei der Telekom. Wer weiß das schon?
Fakt ist: Der Tod gehört zum Leben wie das Aufstehen am Morgen.
Niemand hat Lust drauf – aber irgendwann ist er dran. Und genau dadurch bekommt das Leben Bedeutung.
Wären wir unsterblich, hätten wir keinen Grund zu handeln. Kein Grund, das „Irgendwann“ in „Heute“ zu verwandeln. Wir würden alles aufschieben – bis es nicht mehr zählt.
Der Tod zwingt uns, präsent zu sein.
Zu lachen.
Zu lieben.
Zu leben.
Er erinnert uns daran, dass jeder Tag zählt. Und dass nichts selbstverständlich ist – nicht die Zeit, nicht der Mensch neben dir, nicht dein eigenes Herz, das da in deiner Brust schlägt und sich still bedankt, wenn du es spürst.
Wir behandeln den Tod wie einen unangenehmen Onkel, den wir bei Familienfeiern ignorieren.
Aber er ist immer da.
Leise. Wartend.
In den Nachrichten. In unseren Gedanken. In Filmen mit dramatischer Musik, Explosionen, Zeitlupe.
Nur der echte Tod?
Der ist oft unspektakulär.
Kein Applaus. Kein Vorhang. Kein „Letzte Runde!“.
Nur ein stilles: „Danke fürs Mitmachen.“
Und dann dreht sich die Welt weiter.
Was bleibt, wenn wir gehen?
Ein paar Bilder.
Ein Lachen im Ohr eines Freundes.
Eine Erinnerung, die plötzlich auftaucht, wenn jemand denselben Witz macht wie du.
Vielleicht ein peinliches Video bei deiner Beerdigung.
Vielleicht ein Satz, den du irgendwann gesagt hast – und der jemandem nicht mehr aus dem Kopf geht.
Am Ende zählt nicht, wie lang du gelebt hast.
Sondern wie.
Hast du geliebt?
Geweint?
Verrücktes getan und Fehler gemacht, die du bereust – aber nie missen möchtest?
Dann war es ein gutes Leben.
Und das Sterben?
Das ist dann nicht das Ende, sondern nur der letzte Vorhang einer Show, die du mit Leben gefüllt hast.
In diesem Sinne:
Lebe. Mit allem, was du hast. Für dich – und für die, denen diese Zeit zu früh genommen wurde.
In Erinnerung an viele, deren Wege ich ein Stück begleiten durfte:
Es war mir eine Ehre.
Ihr fehlt.
Aber ihr seid nicht vergessen.
Ich werde noch eine Weile hierbleiben. Und eure Geschichten in mir tragen.
Vielleicht sehen wir uns wieder – irgendwann, irgendwo.
Und wenn nicht: Dann danke ich euch für jeden Moment.
Bis dahin:
Ruht in Frieden.
Und in Liebe.
– Tim
