04/08/2023
In den Bereichen der Selbstoptimierung/-findung tummeln sich einige Mythen, die mir dann auch durch meine Klient:innen in meiner Praxis begegnen. Eine dieser Mythen greift Dami Charf in diesem Video auf: "Ich muss mich erst selbst (richtig) lieben, um andere lieben zu können."
Es ist eine vereinfachte Antwort auf komplexe Herausforderungen. Wer dieses Dogma konsequent durchzieht, wird vermutlich nie "gut genug" für eine Beziehung sein. Vielmehr ist der Beziehungsaufbau zu uns selbst ein lebenslanger Prozess, in dem wir lernen können, uns immer mehr ein guter Freund/eine gute Freundin zu sein. Und parallel dürfen wir Beziehung zu anderen Menschen lernen... und auch das ist ein Prozess. Das Bild eines vollautonomen Menschen widerspricht der Tatsache, dass wir soziale Wesen sind, die Bedürfnisse nach Anerkennung, Nähe, Wichtigkeit u.ä. haben, die letztlich nur durch Kontakt mit andere Menschen zu erfüllen sind. In der Bindungsforschung spricht man auch von einer "konstruktiven Abhängigkeit". D.h., ich bin in der Lage, mich verletzlich zu zeigen und angemessen für meine Bedürfnisse gegenüber anderen Menschen einzustehen. Auch das kann Teil einer Psychotherapie sein.
Stimmt es wirklich, dass du dich erst selbst lieben musst, bevor du andere lieben kannst, wie es so gerne im Selbsthilfe- und Esopsychobereich behauptet wird...