02/02/2022
Elke Schwaninger hat einen sehr schönen Text über Farben und Sichtbarkeit in der Hörakustik geschrieben.
Wir sind ja seit jeher Team Bunt und freuen uns immer wieder, wenn Kunden unser Geschäft leuchtend verlassen.
Trist ist der Winter momentan ja schon genug 😋
Die Unsichtbarkeit unserer Hörbehinderung:
Segen oder Fluch?
(Text: Elke Schwaninger)
"Beige, Schwarz, Braun, Dunkelgrau....- DAS FÄLLT GAR NICHT AUF." - Mit diesen Worten präsentierte mir der Arzt vor meiner CI-OP die gängigen Sprachprozessoren. Damals (2004) dachte ich: "Wie praktisch!"
Heute würde ich entgegnen: "Wozu das Versteckspiel? Ich will das farbenfröhlichste Modell, das Sie haben!"
Die Unsichtbarkeit unserer Behinderung ist Segen und Fluch zugleich:
Wenn du nicht möchtest, dass jemand davon erfährt, behälst du es einfach für dich. Mauschelfarbene Prozessoren, Haare drüber, fertig. Ist ja schließlich deine Sache. Oder?!
Oberflächlich betrachtet scheint das zu stimmen. ABER: Zur gelungenen Kommunikation gehören immer ZWEI (oder mehr). Und der Preis, den du für das Versteckspiel zahlst, ist hoch -auf BEIDEN Seiten:
Permanent einen entscheidenden Teil von dir zu verdrängen, kostet Energie und Lebensfreude. Gleichzeitig kannst du auch mit der "raffiniertesten" Fassadentechnik nicht verhindern, dass Missverständnisse aufkommen: Schlechte Raumakustik, nuschelnde Gesprächspartner*innen, Störlärm...Dein Gegenüber wird irgendwann merken, dass du "anders" reagierst - ohne zu wissen, WARUM: "Ist der schwer von Begriff?...Hab ich was Falsches gesagt?...Der antwortet einfach nicht - das irritiert mich total..."
Psychotherapeutin Lori Gottlieb hat auf prägnante Weise zusammengefasst, warum du dich spätestens jetzt offenbaren solltest: "Die Wahrheit befreit uns von der Scham!"
Scham -und nichts anderes steckt hinter diesem Versteckspiel- entsteht, wenn du deine Behinderung als "Defizit" wertest, als Hör-"Schwäche".
In einer Gesellschaft, wo "Schwerhörigkeit" immer noch gleichgesetzt wird mit "Schwer von Begriff sein", haben wir alle diese negative Wertung irgendwann aufgeschnappt. Doch ob du sie übernimmst, entscheidest DU selbst! Unsere Wahl-Freiheit und unsere Chance besteht darin, dass wir uns Vorurteile nicht zu eigen machen müssen.
Jede*r einzelne von uns kann durch Aufklärung und einen proaktiven, offenen Umgang mit Hörgeräten oder CIs zu mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz beitragen. Es kostet anfangs oft Mut und Überwindung, ist dann jedoch wunderbar befreiend.
Meine Hörbehinderung ist heute einfach ein Teil von mir. Sie gehört zu mir, so wie die blauen Augen oder meine schiefen Zehen 😉Die beiden Sprachprozessoren trage ich jetzt so bunt wie möglich: Orange, blau, grün, gemustert...Ein SEGEN, dass es diese Technologie gibt! 🙂
(c) Elke Schwaninger 2022