04/11/2025
Jahrelang hab ich Traurigkeit unterdrückt - ohne es zu wissen.
Ich dachte Wut kommt bei mir eigentlich nicht vor.
Mir wurde gesagt, dass ich immer so fröhlich und ausgeglichen wirke. Glückskind wurde ich genannt.
Andere haben mir vorgeworfen, dass ich gefühlskalt bin.
Wenn bei anderen Menschen die Tränen flossen hatte ich oft nur eine Leere in mir. Und dachte: was stimmt mit mir nicht?
Irgendwann begann ich zu ahnen, dass da etwas unter der Oberfläche eingeschlossen ist. Etwas, das endlich gesehen, gelöst und geheilt werden möchte.
Aber ich hatte keine Ahnung wie ich da ran kommen kann.
Als ich anfing Schütteln und freie Bewegung in meine Yoga-Praxis zu integrieren, brach die Schale langsam auf. Erst nur ganz wenig. Mit der Zeit immer mehr.
Endlich konnten Tränen fließen. Auf einmal war ich emotional berührt von Situationen, die vorher eher neutral für mich waren.
Immer mehr kam an die Oberfläche.
Erst in diesem Jahr hab ich wirklich verstanden, dass ich nicht weniger fühle als andere, sondern im Gegenteil.
Dass mein Nervensystem sehr feinfühlig und sensibel ist. So sensibel, dass es Wege finden musste, das Fühlen auszublenden. Bis es so gut versteckt war, dass ich fast vergessen hatte wie es geht.
Bis heute ist jede Träne, die ich weine ein Geschenk für mich. Ein Zeichen, dass mein System sich jetzt sicher und gehalten genug fühlt, den Schmerz zuzulassen.
In der Verletzlichkeit liegt eine Schönheit, die so echt ist, so zart wie die Haut von einem Baby, wie die Blätter einer Blüte.
In der Verletzlichkeit liegt eine Kraft, die so groß ist wie der tosende Ozean, so lebendig wie ein schnell schlagendes Herz.
Nach dieser Lebendigkeit habe ich mich gesehnt, weil ein Teil in mir schon immer wusste: das ist meine wahre Natur.
Ich wünschte wir könnten alle zu unserer echten Natur nach Hause kommen, anstatt weiterhin zu glauben wir müssten unsere Verletzlichkeit verstecken, um in die Vorstellungen dieser ver-rückten Welt zu passen.