31/08/2019
Panikattacken und Angststörungen
frühkindliche Auslöser – wir „bekommen“ vom Leben nichts, dem wir nicht gewachsen sind
Corinna, 42
Bei Panikattacken und auch Angststörungen suchen wir neben den passenden Erlebnissen im Genogramm, natürlich auch wesentliche und manchmal auch gar nicht so offensichtliche Prägungen im eigenen Leben. Bekannt ist auch in der konventionellen Medizin, dass diese Erlebnisse oft frühkindlich gemacht worden sind.
Dieser Erfahrungsbericht gibt einen Einblick in die Symptomatik und in die dazugehörigen Prägungen einer Patientin.
Corinna litt bereits seit einigen Jahren an Panikattacken in Verbindung mit einer recht generalisierten Angststörung. Sie war bereits in konventioneller Therapie, besuchte Entspannungskurse und Selbsthilfegruppen. Leider änderte sich nichts daran, dass sie in wiederkehrenden Abständen an diesen Panikattacken litt. Lediglich die Symptome verschoben sich hin und wieder.
Corinna wuchs in einer Familie auf, die nicht sehr auf die kindlichen Bedürfnisse einging. Ihre Eltern, Kinder der Kriegsgeneration, waren bedacht darauf, dass die Kinder gut gekleidet, gewaschen und mit Essen versorgt waren. Es ging wenig um wirkliche Geborgenheit, Zugewandtheit und Vertrauen. „Es funktionierte irgendwie“, sagte Corinna. Uns ging es auch nie schlecht, es war in Ordnung.
Sie erinnerte sich, wie ihre Mutter mit einem Ereignis, besser einer aufkommenden Emotion von Corinna umging, als sie etwa 7 Jahre alt war. Sie und ihr jüngeres Geschwisterkind sollten sich in der Badewanne waschen, um dann ins Bett zu gehen. Sie erzählte, plötzlich kam in ihr eine Angst hoch, irgendwann sterben zu müssen, panisch erzählte sie davon ihrer Mutter, die im Badezimmer anderweitig zu Gange war. Diese fügte lediglich den Satz „Du musst nicht sterben, werdet fertig.“ hinzu und ging weiter ihrer Arbeit nach. Mit diesem aufkommenden Gefühl von starker Angst und überwältigt von Hilflosigkeit und Panik, wurde Corinna allein gelassen. Sie erinnert sich, wie sie im Bett stundenlang diese Panik einholte. Offenbar war ihre Mutter mit dieser Frage überfordert und konnte ihr weder Sicherheit, noch Geborgenheit, Zugewandtheit und liebevolles Angst-Spüren-Dürfen geben.
Ein weiteres Erlebnis, als Corinna noch jünger war, hatte sie immer wieder in ihrem Kinderzimmer; Sehr früh musste sie im Obergeschoss der Wohnung allein („von allen abgeschottet“) schlafen. Corinna wurde nicht liebevoll in den Schlaf (der kleine Bruder des Todes) übergeben, ohne Gespräch, „ohne Vorlesen von Geschichten, ins Bett und gut“. Danach wurde die Türe zugeschlossen. Oft überkam Corinna eine solche Panik, dass sie jetzt noch nach vielen Jahrzehnten ihren kleinen Pyjama, das Bett, den Bodenbelag und die alte Tür mit ihren Beschädigungen bis ins Detail beschreiben kann, denn sie hämmerte voller Angst und Panik, an diese Türe und trampelte auf den Fußboden, oft gefühlt, viele Stunden lang. Meistens kam niemand und irgendwann gab sie wohl erschöpft auf. Daran kann sie sich nicht aktiv erinnern. Aber manchmal, da kam einer der Eltern die Treppe rauf. Leider wurde auch hier das kleine Mädchen nicht beschützend wahrgenommen, „es gab einen riesigen Ärger, gefolgt von wüsten Beschimpfungen“, sie wurde gewaltsam ins Bett gebracht, auch wenn sie sich an den Beinen von Mutter oder Vater festklammerte. Corinna bekam, wenn sie sich gar nicht beruhigte, auch noch den Hintern versohlt.
Auf spätere Nachfrage an die Eltern, sagten diese, sie hätten es gar nicht schlimm empfunden, sie hatten schließlich am Abend noch zu arbeiten und Corinna hätte sich nicht so anstellen brauchen. Sie brauchten auch Zeit für sich und das kleine Geschwisterkind, welches im Untergeschoss schlief. Die Türe versperrt haben sie, damit Corinna nicht die Treppe herunterfiel.
In der Gesellschaft werden die Symptome von Panikattacken oft mit diesen Worten beschrieben: „Ach, stell´ Dich nicht so an, so schlimm ist es doch nicht“, welche Corinna dann sogar oft zu sich selbst sagte.
Hier sieht man, viele nicht erlaubend gefühlte und auch abgespaltene Emotionen, die das Kind, dieses NICHTWILLKOMMENFÜHLEN überleben lassen haben. Bis heute.
Es brauchte nun also nach Jahren ein Erlebnis, was diese alte Prägung von damals wieder ansprach und damit aufflammen lassen kann, um die Wunde zu heilen. „Betroffene“ von Panikattacken sehen das im Erleben der Attacke natürlich nicht so. Gefühlt und auch in Echtzeitwahrnehmung geht es für sie um Leben und Tod.
Darum ist es sehr wichtig im Biologischen Dekodieren, zu schauen, was genau fühlt der Patient und was macht er. Im Fall von Corinna ist es so, dass sie in Situationen, wo sie sich übergangen, stark abgelehnt und unwillkommen fühlt, oft auch Situationen wo autoritäre (ältere) Menschen dabei sind, Arzttermine, Behördentermine oder sonstige Termine, wo Corinna etwas vom Gegenüber möchte, dazu neigt, sich Panikattacken zu machen. Manchmal reicht die bloße Vorstellung an ein kommendes Ereignis. Dann beginnt ihr Herz zu rasen, der Blutdruck steigt, die bekommt einen drückenden Kloß im Hals und ist so panisch, dass es sich anfühlt, als wenn sie gleich umfallen würde (Kampf oder Flucht erscheinen zunächst aussichtslos, also bleibt archaisch nur noch Starre). Von außen betrachtet würde das nicht auffallen, sagt sie. Sie hat dann den Impuls unbedingt weg zu müssen (Flucht, denn sie hat lernen müssen, Kampf kommt nicht in Frage), die Situation zu verlassen, am Besten nach Hause, ins Auto, in die Badewanne (!), weg von den Menschen, raus aus der Situation. Sie möchte keinen einzigen Menschen um sich haben und mit sich allein sein.
Allein, wie damals, das ist am Sichersten, sie hat es damals überlebt und heute ist die Wahrscheinlichkeit für unser Gehirn und die gekoppelten Emotionen auch am Höchsten, dies wieder zu überleben. Ein alter Pfad wurde, neurowissenschaftlich ausgedrückt, zur 4-spurigen Autobahn ausgebaut.
Im Stammbaum finden sich des Weiteren unzählige Dramen rund um das Thema Vertreibung (nicht mehr in sein Haus können, kein Heim mehr zu haben) und Durchhalten, besser allein durchkommen, als jemandem zu vertrauen.
Der sekundäre Symptomgewinn ist hier definitiv allein sein zu können und vor allen Dingen, überleben. Denn wenn eine Panikattacke überstanden ist, suggeriert dies 1. Ich habe es allein geschafft und 2. Ich habe es überlebt.
Danke, dass ich einen Einblick in diese berührende Lebensgeschichte geben durfte.
Doreen Dahl
Heilpraktikerin