19/03/2020
Liebe Patientinnen, liebe Patienten,
wohl wissend, dass in dieser Zeit Panik fehl am Platze ist, so sollte man das Coronarvirus (Covid-19) nicht verharmlosen und erst recht nicht mit dem Grippevirus H1N1 2009/2010 oder einem anderen Grippevirus vergleichen.
Verlässliche Schätzungen der WHO, des RKI oder unabhängiger Instanzen wie die der DEGAM gehen von 50 Millionen Infektionen in Deutschland aus, wenn keine Gegenmaßnahmen greifen oder entwickelt werden. Grund hierfür ist u.a., dass Covid-19 Infizierte 3x mehr andere anste-cken als Grippeinfizierte. Bei einer mindestens 7x höheren Letalität/Sterblichkeit (derzeit weltweit zwischen 0,3 - 3,6% der Erkrankten) im Vergleich zur Grippe ist davon auszugehen, dass mind. ca. 150.000 Menschen nur in Deutschland versterben würden, wenn nicht bald wirksame Gegenmaßnahmen gefunden werden (Impfungen oder wirksame Medikamente). In Anbetracht der exponentiell steigenden Infektionszahlen sind Informationen, die das Ziel verfolgen, die Pandemie mit Covid-19 zu verharmlosen, nicht nur mit Vorsicht zu genießen, sondern zu emp-fehlen, diese nicht zu beachten und davor zu warnen.
Derzeit besteht für ca. 4 von 5 Infizierten keine größeren Gefahren, jedoch jeder 5. erkrankt schwer und jeder 100. bis 130. verstirbt. Die Todeszahlen in Deutschland sind (noch) niedrig aber steigen stetig. Der Anstieg an Neuerkrankungen lässt derzeit nicht hoffen. Von allen Indust-rieländern haben wir in Deutschland die höchste Rate an Neuinfektionen. Zu glauben, dass nur chronisch Kranke gefährdet wären ist nicht richtig. Auch Gesunde können versterben, wenn auch wesentlich seltener als Menschen mit chronischen Erkrankungen, wie Stoffwechselerkran-kungen (z.B. Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)), Kreislauferkrankungen (z.B. Herzerkrankungen, Bluthochdruck), Atemwegserkrankungen (z.B. COPD, Raucher, Asthma bronchiale), Immunsupp-remierte (Krebserkrankte, laufende Chemo-oder Kortisontherapie).
Lediglich kann für Kinder Entwarnung gegeben werden- bis zum jetzigen Zeitpunkt sind Kinder zwar erkrankt aber kein Kind ist weltweit an einer Covid-19- Infektion verstorben. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt.
Hier kurz weitere bislang bekannte Eigenschaften des neuen Coronavirus (Stand 20.03.2020, kann sich naturgemäß ändern)
• Es handelt sich um einen Vertreter einer Familie von RNA-Viren, die sowohl Tiere als auch Menschen infizieren können und beim Menschen vor allem Erkrankungen des Respirations-trakts auslösen. Andere, furchterregende Vertreter haben wir schon vor etlichen Jahren kennengelernt: SARS (severe acute respiratory syndrome) und MERS (Middle Eastern respira-tory syndrome).
• Die Weltbevölkerung verfügt über keine Immunität gegen den neuen Erreger.
• Nach bisherigen Erkenntnissen verleiht eine einmal durchgemachte Infektion wahrschein-lich Immunität (wie lange die anhält, ist unbekannt).
• Die Inkubationszeit beträgt im Mittel 4-5 Tage, maximal 14 Tagten (daher auch die Dauer der Quarantäne).
• Die Symptomatik ist nur schwer von der anderer respiratorischer Viruserkrankungen zu un-terscheiden (Husten, Fieber, selten Schnupfen; Diarrhoen sind möglich; Berichte aus Heins-berg sprechen von mehrtägigen Geruchs- und Geschmacksstörungen). Rund 10% der Infi-zierten sind beschwerdefrei (vielleicht auch mehr), weitere 35% haben sehr geringe Be-schwerden bzw. milde Symptome. 20% verschlechtern sich im Laufe einer Woche, ca. 6% werden intensivpflichtig.
• Das Alter alleine – ohne chronische Vorerkrankungen - birgt nach vorliegenden (sehr be-grenzten) Daten nur ein moderat erhöhtes Risiko.
Das Ziel die Neu-Infektionen soweit wie möglich gering zu halten, dient dem Schutz eines jeden einzelnen unserer Gesellschaft. Unsere Gesellschaft besteht aus ca. 80 Millionen gleichwertigen einzelnen „Rädchen“. Ein jedes ist unersetzbar. Unsere Sozialgemeinschaft baut auf Gleichbe-rechtigung und die Würde des einzelnen. Die Würde des Menschen ist unantastbar, diese hört jedoch dort auf, wo sie die Würde des anderen belastet. Jeder hat in unserem Lande die glei-chen Rechte, aber aus diesen Rechten ergeben sich natürlich auch Pflichten.
Toleranz und Rücksichtnahme sind nicht irgendwelche Floskeln, sondern müssen gerade in die-ser Zeit gemeinschaftlich gelebt werden! Warum muss die Kassiererin ohne Schutzausrüstung funktionieren und warum nicht andere wie die Mitarbeiter in Behörden. Überall wo es möglich ist Heimarbeitsplätze zu ermöglichen, sollten diese durchgeführt werden. Da wo sie nicht mög-lich sind, sollten die Mitarbeiter angepasst an das Risiko einer Infektion geschützt werden.
Zu sagen, ich lasse mich krankschreiben, weil ich Angst vor einer Infektion an meinem Arbeits-platz habe und gleichzeitig der/dem ungeschützten Kassierer(in)/ Verkäufer(in)/ Arzthelfer(in) etc. auf die Pelle zu rücken, ist weder tolerantes noch rücksichtsvolles Verhalten und tritt die Gleichberechtigung und Würde der für uns Arbeitenden.
Wir bitten alle ganz inständig:
1.) Gehen Sie achtsam und fürsorglich zum Zwecke des Nicht-Schaden-Wollens miteinander um.
2.) Angst ist der falsche Wegbegleiter- egal was um einen passiert, behalten Sie einen kühlen Kopf.
3.) Halten Sie Abstand voneinander (mindestens 2 m).
4.) Waschen oder desinfizieren Sie regelmäßig Ihre Hände (wann immer Sie etwas angefasst haben, dass andere angefasst haben könnten, erneutes Waschen).
5.) Bleiben Sie zu Hause, wann immer es geht und kaufen Sie normal ein.
6.) Gehen Sie zur Arbeit und besprechen mit Ihrem Arbeitgeber Möglichkeiten des Infektionsschutzes.
7.) Arztbesuche im Vorwege telefonisch mit dem Praxisteam absprechen.
Wir möchten allen Angehörigen von Verstorbenen und schwer Erkrankten durch Covid-19 unser zutiefst empfundenes Mitleid aussprechen und hoffen, dass unsensible, verharmlosende und weit weg von wissenschaftlich basierenden Veröffentlichungen und Äußerungen ihre Trauer und Verzweiflung nicht verstärken mögen. Menschen, die so einen Mist medial verbreiten, sollten erst einmal selbst erleben, was so eine Krankheit mit dem Erkrankten und seinen Angehörigen macht.
In der Hoffnung, dass unsere Behörden wissen, dass nach einer Pandemie bedeutet vor einer neuen zu stehen. Auf das wir die Lehren aus der jetzigen Pandemie ziehen, uns besser schützen werden und wir erkennen, was Wertschätzung bedeutet.
„Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden. Was dagegen über allen Preis erhaben ist, das hat seine Würde.“ (Immanuel Kant)
gez. Dr. med. Sven Claßen, Facharzt für Allgemeinmedizin, Palliativmedizin, Geriatrie, Reisemedizin
Weitere Informationen:
https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html #/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html
www.ecdc.europa.eu/en/search?s=2019-ncov
https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019
https://www.degam.de
https://www.welt.de/vermischtes/article206651673/Corona-Experte-Christian-Drosten-zerlegt-Aussagen-von-Wodarg.html?