25/03/2020
Mein Schreiben an Verband und Sächsisches Sozialministerium:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich bin mir bewusst, dass Sie sehr, sehr viel zu tun haben in dieser Zeit und danke Ihnen allen für die Bemühungen, für Ihre Kraft und Ihren Einsatz.
Ich schreibe Ihnen, um zu schildern, was mir in unserer Praxis momentan widerfährt und was unseren Patienten widerfährt und bitte darum, besser, deutlicher zu informieren, sowohl uns als auch Pflegeeinrichtungen, Lebenshilfe, Patienten und auch Ärzte.
Als Physiotherapie versorgen wir Schwersteingeschränkte Patienten der Lebenshilfe, Neurologusche Patienten in Altenheimen, frisch operierte Patienten, Schmerzpatienten, Patienten mit Mukoviszidose und anderen schweren Atemerkrankungen. Dazu haben wir speziell ausgebildete Therapeuten.
Wir müssen offen bleiben, da wir als medizinische Einrichtung systemrelevant eingestuft werden.
Das ist sehr gut.
Und ist so traurig für die Patienten, denn SIE WISSEN ES NICHT.
Hier in Meißen haben wir keine Möglichkeit, diese Menschen zu behandeln:
Die Lebenshilfe lässt keine Therapeuten ein.
Die Pflegeeinrichtungen, die wir betreuen, lassen niemanden ein (was wird in 3 und mehr Wochen mit Menschen nach Schlaganfall/nach Unfälle , nach 3 und mehr Wochen weitestgehender Immobilität???!!!)
Wieso sind wir systemrelevant und tatsächlich notwendig, wenn uns niemand einlässt?
Wir haben im Moment (noch) folgende Ausrüstung für Hausbesuche: Ganzkörperanzug, Mundschutz, Handschuhe, Füßlinge. Die Therapeuten nehmen ebenfalls Desinfektionsmittel mit.
Die Pflegekräfte haben, nach Aussagen unserer Patienten oft nichteinmal einen Mundschutz, Handschuhe wechseln innerhalb der Häuser nicht. WIR wechseln bei JEDEM Patienten. Es gibt hier mindestens einen ARZT, der sein Wartezimmer füllt, alle ohne Mundschutz in einem Raum sitzen lässt, selbst keine Schutzmaßnahmen ergreift!!!!
In einem betreuten Wohnen, also eigener Wohnung! wurden die Patienten angewiesen, niemandem die Tür zu öffnen oder ihnen wurde gesagt, dass es für 2 Wochen keine Physiotherapie gibt. Dies sei eine "Bestimmung". Betroffen ist eine Patientin frisch nach Rücken OP, bevor alles angehalten wurde. Sie hatte keine Reha, war nun wieder im KH und kam mit neuer Schnerztablette zurück. Sie windet sich vor Schmerzen, ist total verängstigt und weiß nicht, was sie tun soll.
Ich frage Sie, WAS passiert hier??!!!
Ich halte dies für ein riesengroßes Missverständnis!
Ich fordere, dass umgehend eine Aufklärung solcher Einrichtungen erfolgt und ausdrücklich betont wird, dass solche schwer betroffenen Menschen der Behandlung durch Physiotherapeuten IN AUSREICHENDER SCHUTZKLEIDUNG bedürfen.
Wenn nämlich aus wirtschaftlichen Gründen und aus Unterversorgung mit Schutzmaterial die Praxen bald zu einem Teil schließen müssen, wird es nach Corona für diese Menschen nicht mehr genug Therapeuten geben. Zudem sind diese Patienten eine zusätzluche Systembelastung, wenn sie wieder oder überhaupt, weil sie so große Schmerzen haben, ins Krankenhaus wollen u müssen.
Und wer versorgt dann die ganzen Atempatienten, nach Ausheilen der Lungenentzündung? Diese werden zum Teil lebenslang unterstützung und Therapie benötigen
Bitte, helfen Sie diesen Patienten und helfen Sie uns, damit auch wir unseren Teil beitragen können.
Ebenso wäre es gut, wenn auch Physiotherapien mit Schutzausrüstung ausgestattet werden würden. Zumindest, dass dies in Zukunft berücksichtigt werden kann.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, danke für IhreZeit und Geduld, wirklich zu lesen.
Mit freundlichen Grüßen,
Jeannine Herrgesell