09/06/2025
Die Forschergruppe unseres Vertrauens, hat gerade wieder etwas veröffentlicht. Vielen Dank für eure wichtige Arbeit👍
Gerade veröffentlicht 🔥
Aktuelle Empfehlungen zum Krafttraining in der Sport- und Bewegungstherapie für Patient*innen mit Sarkopenie 💪
⬇️Sarkopenie, charakterisiert durch den altersbedingten Verlust von Muskelmasse, -kraft und -funktion, stellt eine wachsende Herausforderung für das Gesundheitssystem dar, insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Eine Sarkopenie geht mit einer erhöhten Prävalenz von Komorbiditäten wie Diabetes, Herzinsuffizienz oder orthopädischen Einschränkungen einher [1, 5].
👴Diese muskuloskelettale Erkrankung erhöht das Risiko für Stürze, Immobilität und Pflegebedürftigkeit, was die Lebensqualität älterer Menschen erheblich beeinträchtigt [1].
🏋️♀️Krafttraining hat sich als effektive Maßnahme zur Prävention und Therapie von Sarkopenie etabliert, da es neuromuskuläre Anpassungen und Muskelhypertrophie fördert, die funktionelle Einschränkungen reduziert und die Selbstständigkeit unterstützt [6].
📘In einem brandaktuellen Praxisbeitrag in „Bewegungstherapie & Gesundheitssport“ beleuchten Havers et al. (2025, https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/a-2556-3289) aktuelle evidenzbasierte Ansätze für Krafttraining in der Sport- und Bewegungstherapie bei Sarkopenie und formulieren praxisnahe Handlungsempfehlungen.
✅ Ursachen und Risikofaktoren
👉 Eine Sarkopenie ist multifaktoriell bedingt. Zu den Hauptursachen zählen:
▶️ Inaktivitätsbezogene Faktoren: Bewegungsmangel und Immobilisation, z. B. durch Bettruhe, führen zu einem schnellen Muskelabbau. Bereits eine Woche Bettruhe verursacht einen Verlust von etwa 1,5 % der Kniestreckermuskulatur, während zwei Wochen bis zu 5 % Verlust bedingen können, begleitet von einer Kraftreduktion von bis zu 9,9 % [7].
▶️Ernährungsspezifische Faktoren: Eine unzureichende Energie- und Proteinzufuhr fördert den Muskelabbau [5].
▶️Krankheitsbedingte Faktoren: Chronische Erkrankungen wie Diabetes oder Herzinsuffizienz erhöhen den Katabolismus und reduzieren die körperliche Aktivität [1, 5].
▶️ Iatrogene Faktoren: Medikamentennebenwirkungen und lange Krankenhausaufenthalte verstärken die Sarkopenie durch Immobilisation [1, 5].
🏋️♂️ Effekte von Krafttraining
👉 Krafttraining bewirkt sowohl kurzfristige neuromuskuläre Anpassungen als auch langfristige Muskelhypertrophie:
▶️ Neuromuskuläre Anpassungen: In der Anfangsphase verbessern sich die inter- und intramuskuläre Koordination, die Frequenzierung motorischer Einheiten steigt, und die Hemmung des Golgi-Sehnenapparats nimmt ab, was zu einer schnellen Kraftsteigerung führt [8].
▶️ Muskelhypertrophie: Langfristig fördert Krafttraining die Muskelproteinsynthese über den mTORC1-Signalweg, was zu einer Zunahme der Muskelmasse führt [9]. Eine Proteinzufuhr von 1,2–1,5 g/kg Körpergewicht ist essenziell, um diesen Prozess zu unterstützen [10].
▶️Funktionelle Verbesserungen: Krafttraining verbessert die Gehgeschwindigkeit, die Leistung in funktionellen Tests (z. B. Timed Up and Go) und die Lebensqualität. Schnellkrafttraining, das auf Typ-2-Muskelfasern abzielt, unterstützt alltagsrelevante Bewegungen wie Aufstehen oder Treppensteigen und kann Stürze vorbeugen [6, 11, 12].
✅ Evidenzbasierte Trainingsempfehlungen
👉 Die Studie stützt sich auf Empfehlungen von Fragala et al. [11] und Izquierdo et al. [13] und beschreibt die zentralen Belastungsnormative für Krafttraining bei älteren Menschen:
▶️ Übungsauswahl: Kombination aus Mehrgelenksübungen (z. B. Kniebeugen, Bankdrücken) und Eingelenksübungen (z. B. Beinstrecker, Beincurls). Geeignete Trainingsmittel umfassen Langhanteln, Geräte, Widerstandsbänder oder das eigene Körpergewicht [11, 13].
▶️ Intensität und Wiederholungen: Anfänger starten mit 30–40 % des Einer-Wiederholungsmaximums (1RM) und 1 Satz pro Übung, der auf 2–3 Sätze gesteigert wird. Fortgeschrittene trainieren bei 70–85 % 1RM mit 8–15 Wiederholungen. Pausen von 1–3 Minuten zwischen Sätzen sind empfohlen [11, 13].
▶️ Trainingsfrequenz: 2–3 Trainingseinheiten pro Woche und Muskelgruppe an nicht aufeinanderfolgenden Tagen.
▶️ Schnellkrafttraining: Übungen mit 40–60 % 1RM, die explosive konzentrische Bewegungen fördern, sollten zu Beginn der Einheit durchgeführt werden [11, 13].
▶️ Clustertraining: Clustertraining, bei dem Wiederholungen durch kurze Pausen unterbrochen werden (z. B. 4 Wiederholungen, 15 Sekunden Pause, weitere 4 Wiederholungen), ist besonders für Patient*innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen geeignet, da es die Belastung reduziert [14, 15].
▶️ Belastungskontrolle: Die Borg-Skala und das „Reps in Reserve“-Konzept (1–3 Wiederholungen unter Muskelversagen) helfen, die Intensität individuell anzupassen und Überforderung zu vermeiden [16–18].
▶️ Setting: Das Training kann in Therapiezentren, Seniorenheimen oder zu Hause erfolgen. Gerätetraining bietet präzise Belastungskontrolle, während Widerstandsbänder, Kurzhanteln oder das eigene Körpergewicht in häuslichen Umgebungen flexibel einsetzbar sind.
✅ Praktische Empfehlungen
▶️Die Studie betont die Notwendigkeit einer individualisierten Trainingsplanung, insbesondere bei Komorbiditäten wie Bluthochdruck, Osteoporose oder Diabetes. Vor Trainingsbeginn ist eine ärztliche Abklärung erforderlich, um Risiken und Kontraindikationen zu identifizieren. Wichtige Aspekte der Trainingsplanung umfassen:
▶️ Progressive Belastungssteigerung: Anfänger starten mit 30–40 % 1RM und 10–15 Wiederholungen, während Fortgeschrittene bis zu 70–85 % 1RM steigern. Progression erfolgt durch Erhöhung der Wiederholungen, der Trainingslast oder des Volumens.
▶️ Schnellkrafttraining: Übungen mit 40–60 % 1RM, die explosive und kontrollierte Bewegungen fördern (z. B. Chair Rise), verbessern die Funktionalität und sollten zu Beginn der Einheit durchgeführt werden.
▶️ Niedrigschwelliger Einstieg: Einfache Übungen wie Aufstehen vom Stuhl oder Gymnastikband-Übungen erhöhen die Compliance, insbesondere in der Geriatrie. Gruppenaktivitäten und feste Trainingszeiten fördern die Adhärenz.
💡Fazit
Die Studie unterstreicht, dass individualisiertes Krafttraining eine Schlüsselrolle in der Prävention und Therapie von Sarkopenie spielt. Es fördert Muskelmasse, -kraft und -funktion, verbessert die Lebensqualität und unterstützt die Selbstständigkeit. Die Integration von Schnellkraftübungen und funktionellen Bewegungen ist essenziell, um alltagsrelevante Fähigkeiten zu stärken. Eine enge Abstimmung mit medizinischen Fachkräften und die Berücksichtigung individueller Gesundheitsprofile sind entscheidend, um Trainingsrisiken zu minimieren und maximale Therapieerfolge zu erzielen.
📒 Literatur
[1] Cruz-Jentoft AJ, Bahat G, Bauer J et al. Sarcopenia: revised European consensus on definition and diagnosis. Age Ageing 2019; 48: 16–31. DOI: 10.1093/ageing/afy169
[2] Melton LJ III, Khosla S, Crowson CS et al. Epidemiology of Sarcopenia. J Am Geriatr Soc 2000; 48: 625–630. DOI: 10.1111/j.1532-5415.2000.tb04719.x
[3] Molloy JO. The Biology of aging. Mayo Clinic Proceedings 2000; 75: S3–S9. DOI: 10.1016/S0025-6196(19)30634-2
[4] Lexell J. Human aging, muscle mass, and fiber type composition. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 1995; 50: Spec No 11–16. DOI: 10.1093/gerona/50a.special_issue.11
[5] Cruz-Jentoft AJ, Sayer AA. Sarcopenia. Lancet 2019; 393: 2636–2646. DOI: 10.1016/S0140-6736(19)31138-9
[6] Shen Y, Shi Q, Nong K et al. Exercise for sarcopenia in older people: A systematic review and network meta-analysis. J Cachexia Sarcopenia Muscle 2023; 14: 1199–1211. DOI: 10.1002/jcsm.13225
[7] Marusic U, Narici M, Simunic B et al. Nonuniform loss of muscle strength and atrophy during bed rest: a systematic review. J Appl Physiol 2021; 131: 194–206. DOI: 10.1152/japplphysiol.00363.2020
[8] Häkkinen K, Kallinen M, Izquierdo M et al. Neuromuscular adaptations during strength training in older adults. J Appl Physiol 1998; 85: 1674–1681. DOI: 10.1152/jappl.1998.85.5.1674
[9] Bodine SC, Stitt TN, Gonzalez M et al. Akt/mTOR pathway is a crucial regulator of skeletal muscle hypertrophy. Nat Cell Biol 2001; 3: 1014–1019. DOI: 10.1038/ncb1101-1014
[10] Bauer J, Biolo G, Cederholm T et al. Evidence-based recommendations for optimal dietary protein intake in older people. J Am Med Dir Assoc 2013; 14: 542–559. DOI: 10.1016/j.jamda.2013.05.021
[11] Fragala MS, Cadore EL, Dorgo S et al. Resistance training for older adults: position statement from the National Strength and Conditioning Association. J Strength Cond Res 2019; 33: 2019–2052. DOI: 10.1519/JSC.0000000000003230
[12] Liu CJ, Latham NK. Progressive resistance strength training for improving physical function in older adults. Cochrane Database Syst Rev 2009; 3: CD002759. DOI: 10.1002/14651858.CD002759.pub2
[13] Izquierdo M, Merchant RA, Morley JE et al. International exercise recommendations in older adults (ICFSR): expert consensus guidelines. J Nutr Health Aging 2021; 25: 824–853. DOI: 10.1007/s12603-021-1665-8
[14] Tschakert G, Hofmann P. High-intensity intermittent exercise: methodological and physiological aspects. Int J Sports Physiol Perform 2013; 8: 600–610. DOI: 10.1123/ijspp.8.6.600
[15] Karlsen T, Aamot IL, Haykowsky M et al. High-intensity interval training in patients with heart failure. J Am Coll Cardiol 2017; 69: 2128–2138. DOI: 10.1016/j.jacc.2017.03.554
[16] Zourdos MC, Klemp A, Dolan C et al. Novel resistance training-specific rating of perceived exertion scale. J Strength Cond Res 2016; 30: 301–306. DOI: 10.1519/JSC.0000000000001049
[17] Helms ER, Cronin J, Storey A et al. Application of the repetitions in reserve-based rating of perceived exertion scale for resistance training. Strength Cond J 2016; 38: 42–49. DOI: 10.1519/SSC.0000000000000218
[18] Steele J, Endres A, Fisher J et al. Ability to predict repetitions to momentary failure is not perfectly accurate, though improves with resistance training experience. PeerJ 2017; 5: e4105. DOI: 10.7717/peerj.4105