08/11/2025
In Therapiestunden beobachte ich immer wieder, wie ungesunde Partnerschaften entstehen und bestehen bleiben, wenn einer der Partner vor allem Ansprüche stellt und kaum Rücksicht auf die Eigenheiten und Unzulänglichkeiten des anderen nimmt. Es kommt zu einer einseitigen Lastenverschiebung: Der, der Ansprüche erhebt, erwartet, dass der andere immer verfügbar ist, Fehler vermeidet und die eigenen Ideale widerspiegelt. Der Gegenpart fühlt sich dagegen gedrängt, ständig zu leisten, Konflikte zu vermeiden und sich selbst zurückzustellen, um die vermeintlich perfekte Beziehung zu bewahren.
Der Begriff Narzissmus ist in der Psychologie komplex und vielschichtig. Er bezeichnet zunächst eine übersteigerte Selbstliebe und das Bedürfnis nach Bewunderung, verbunden mit einem oft fragilen Selbstwertgefühl. In Partnerschaften zeigt sich das durch ein dominierendes Verhalten, das den anderen instrumentalisiert, den Blick ständig auf die eigene Leistung oder Attraktivität richtet und nur selten Raum für die Bedürfnisse des Gegenübers lässt.
Es hat sich gezeigt, dass Veränderung dort am plausibelsten gelingt, wo beide Partner bereit sind, Verantwortung für ihr eigenes Verhalten zu übernehmen. Das bedeutet: klare Grenzen setzen, realistische Erwartungen formulieren, echte Empathie entwickeln und eine gleichberechtigte, respektvolle Kommunikation kultivieren. Der betroffene Partner braucht oft Unterstützung, um wieder eigene Bedürfnisse wahrzunehmen, Selbstwert zu stabilisieren und an der Grenze zwischen Bedürftigkeit und Selbstfürsorge zu arbeiten. Im schlimmsten Fall kann das auch Trennung bedeuten.
Der Partner, der Ansprüche stellt, kann von der Arbeit profitieren, wenn er lernt, Bedürfnisse zu integrieren, ohne andere zu entwerten, und wenn er übt, Fehler einzugestehen und Verantwortung für Folgen seines Verhaltens zu übernehmen.