14/08/2022
❓Darf ein Freizeitpferd "halb gesund" sein?
Das junge Pferd lahmt diffus auf zwei Beinen. Auf der Geraden jedenfalls. In der Wendung lahmt es auf dreien und zwar immerhin so deutlich, dass die Besitzerin zumindest eine "deutliche Schiefe" sieht. Die Trainerin sagt, das Pferd brauche deshalb mehr Seitengänge, dann wird das schon.
🐎Dass es keine tollen Gänge hat - geschenkt. Es wird ja nur ein Freizeitpferd. Mal eine A-Dressur nebenan im Verein vielleicht, mal nen Wanderritt mit dem Ehemann. Mal nen Springlehrgang mit der Tochter. Mal Traversalen oder Piaffe vielleicht, wenn der tolle Trainer im Nachbarverein ist. Mehr soll es ja nicht!
Aha.
🦓Das zukünftige Beistellpferd, das eigentlich Freizeitpferd werden sollte, wurde ohne AKU gekauft, denn der Händler garantierte, es sei nie lahm gewesen. Es war aber nicht nur etwas mehr als subtil lahm, sondern auch wehrig. Klemmen bis hin zum Eskalieren an der Longe, Bocken beim Reiten.
Nach dem wiederholten Bocken unterm Reiter und Losreißen an der Loge entschied man, das Pferd in Beritt zu geben. Es gehört nun doch mal erzogen. Und geradegerichtet. Renvers kann man halt selbst noch nicht. Das Ticken und das Kurz-Lang-Gehen, das bekommt man dann schon weggymnastiziert. Am Wollen liegt es ja nicht und man beliest sich ja gern...
(Fiktives Beispiel! Aber so oder so ähnlich erleben wir das oft...)
🐴Nein, am Wollen liegt es fast nie! Viele Pferdebesitzer sind auch total bereit, Geld für Unterricht, Osteo und Co. in die Hand zu nehmen - nur beim Pferdekauf...da sparen manche mal lieber. Argumente sind:
🐴 Das Pferd muss ja nix.
Wirklich? Ein Pferd, das geritten oder gefahren werden soll, egal in welchem Umfang, muss schmerzfrei gehen können. Und zwar auf dem Niveau, das man reiten will.Ein bisschen Kurz-Lang-Gehen oder ein "Taktfehler" sind nur Euphemismen für Lahmheit und Lahmheit heißt Schmerz!
Auch ein Freizeitpferd sollte beim Reiten schmerzfrei sein. Will man unbedingt aus persönlichen Gründen ein dezent lahmes Pferd kaufen, muss man sich im Klaren darüber sein, dass Diagnostik, OPs, Reha und Co anstehen können und man im dümmsten Fall vielleicht dennoch nie wieder mehr darf, als Schritt spazieren zu gehen. Dann ist das Herzenspferd eben eventuell kein Reitpferd!
🐴 Das Pferde läuft so, weil es bisher falsch geritten wurde. Oder der Sattel gedrückt hat.
Das kann sein. Aber: Chips, Rehe, Meniskusschäden und Co. lassen sich nicht wegreiten. Auch mit der besten Trainingsphilosophie oder dem teuersten Sattel nicht.
🐴 Ich habe ja Zeit. Mit Liebe, guter Fütterung und schonendem Aufbautraining lässt sich doch alles verbessern.
Oft trifft dies natürlich zu, es gibt aber Erkrankungen, bei denen das Pferd höchstens etwas weniger leidet mit gutem Management, die aber nicht mit Liebe, Geduld und Fütterungsberatung verschwinden.
Fazit:
🦄Ein Freizeitpferd muss grundsätzlich beim Reiten genauso schmerzfrei sein wie ein Sportpferd. Nun kann es sein, dass ein Pferd lahmfrei geradeaus ins Gelände kann oder alles außer Springen oder fliegenden Wechseln problemlos schmerzfrei leistet - dann ist es eben ein Freizeitpferd mit einer gewissen Leistungsgrenze.
So ein Pferd kann man gezielt und günstig erwerben und mit bestem Gewissen auf niedrigem Niveau reiten.
🦄Gerade bei so einem "halb gesunden" Freizeitpferd macht es aber auch Sinn, eine AKU zu machen! Denn erstens sehen viele Reiter Lahmheiten schlicht nicht, zweitens ist es wichtig, Befunde und deren Verlauf einschätzen zu können.
Alles Gute für euch und euer Pferd!
www.osteo-dressage.com