25/02/2025
Mal darüber nachgedacht, was dir eine Gehaltserhöhung von € 100 eigentlich bringt?
Fakt ist, wenn dir der Arbeitgeber € 100 mehr zahlen möchte, muss er dafür ca. € 123,50 in die Hand nehmen. Warum? Weil der Arbeitgeber auf den € 100 höheren Bruttolohn auch noch mal ca. 23,5% Arbeitgeberanteile in die Sozialversicherung bezahlen muss (abhängig vom Zusatzbeitrag deiner Krankenkassen und den Beitragssätzen für Umlage 1 und Umlage 2 deiner Krankenkasse). Also kosten ihn € 100 mehr für dich schon mal € 123,50.
Aber wie sieht es für dich aus?
Von den Brutto € 100 fließen erstmal weitere ca. 21,5% Arbeitnehmerbeiträge in die Sozialversicherung (abhängig vom Zusatzbeitrag deiner Krankenkasse und ob du einen Zuschlag in die Pflegeversicherung zahlen musst, weil du kinderlos bist oder nicht). Die ersten € 21,50 sind also schon mal weg.
Was hast du davon?
Die Mehrbeiträge in die Krankenversicherung sind aus deiner Sicht ergebnislos verlorenes Geld. Du bekommst deshalb von deiner Krankenversicherung keine besseren Leistungen.
Das gilt auch für die Pflegeversicherung.
In der Arbeitslosenversicherung wirkt sich der Mehrbeitrag etwas zu deinen Gunsten aus. Aber seien wir ehrlich: Welcher Physio oder Ergo ist heutzutage noch unfreiwillig länger arbeitslos? Die wenigsten. Zudem sind Zahlungen aus der Arbeitslosenversicherung zeitlich begrenzt.
Bleibt noch die Rentenversicherung. Rein rechnerisch führen die höheren Beiträge natürlich zu höheren Rentenbezügen für dich im Alter. Aber:
a) Die Rente im Alter muss auch in der Sozialversicherung und zwar in der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung verbeitragt werden (ggf. sogar in der Arbeitslosenversicherung vor Erreichen der Regelaltersgrenze). D.h., während du heute das höhere Gehalt beziehst zahlst du davon höhere Beiträge in die Sozialversicherung und später fließen von der immerhin (vielleicht) etwas höheren Rente dann auch noch mal Beiträge in die KV und PV.
b) Dann ist natürlich ein Euro, der dir heute abgezogen wird, für dich viel mehr wert als ein Euro, den du in 30 Jahren mal (vielleicht) mehr bekommst (Stichwort Zeitwert des Geldes, Inflation).
c) Und last but not least gibt es den Unsicherheitsfaktor. Der Euro, der dir heute für die Rentenversicherung abgezogen wird ist „sicher“ weg. Ob du dafür in 30 Jahren tatsächlich mehr bzw. noch besser: sogar inflationsbereinigt tatsächlich mehr oder (kein Scherz!) überhaupt noch was bekommst, ist dafür in höchstem Maße unsicher.
Kurzer Exkurs: Unsere Rentensystem funktioniert nach dem Generationenvertrag. Das Geld, was du und dein Arbeitgeber heute in die Rentenversicherung einzahlt wird nicht für dich angespart oder besser noch sogar mit Rendite für dich irgendwo angelegt, sondern es fließt direkt in die Taschen der aktuellen Rentner. Und in 30 Jahren, wenn du Rente beziehen möchtest, zahlen dann die Arbeitenden aus ihrem Geld für dich in die Rentenversicherung ein. Soweit so gut.
Das hat bis vor einigen Jahren auch einigermaßen funktioniert. Nun gibt es aber ein Problem: In Deutschland kommen auf einen Erwerbstätigen immer mehr Rentner. Rechnerisch stehen einem Altersrentner aktuell 2,1 Beitragszahler gegenüber. Anfang der 1960er Jahre war das Verhältnis noch solider: hier kamen auf einen Altersrentner sechs aktiv versicherte Erwerbspersonen. Das zeigt eine Statista-Grafik auf Basis von Daten des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Da demnächst die so genannte Babyboom-Generation in Rente gehen wird, wird das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern in Zukunft weiter abnehmen. Prognosen des IW Köln zufolge kommen im Jahr 2030 auf einen Rentner noch 1,5 Beitragszahler. Im Jahr 2050 könnten es sogar nur noch 1,3 Beitragszahler sein. Während also früher 6 Arbeitnehmer die Rente von einem Rentner finanzieren mussten soll das Verhältnis in Zukunft ungefähr 1:1 sein.
Stell dir das mal auf Basis deines aktuellen Gehalts vor? Kannst (willst) du einem Rentner alleine seine Rente bezahlen? Einfache Kiste: Das geht nicht. Das System ist kaputt und wir sind auch viel zu spät dran das noch zu reparieren. Irgendwann explodiert es in einem kurzen schmerzhaften Knall.
Dass es nicht mehr funktioniert zeigt allein die folgende Entwicklung: Im Jahr 2023 beliefen sich die Zuschüsse des Bundes zur deutschen Rentenversicherung auf eine Summe von rund 84 Milliarden Euro. Damit stiegen die Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland seit 2012 kontinuierlich und auf einen Höchststand. Das Rentensystem kann sich schon lange nicht mehr selbst tragen. Es muss durch Steuergelder quersubventioniert werden.
Einschneidende Korrekturen wären längst nötig. Das Problem: Es traut sich kein Politiker ran da große Einschnitte vorzunehmen, dafür ist die Gruppe der Altersrentner als Wähler viel zu mächtig. Und sie wird in Zukunft immer mächtiger werden. Also Augen zu und so lange geradeaus laufen, bis die Wand kommt.
Nun wollen wir aber noch das Thema Steuern beleuchten:
Natürlich abhängig von Steuerklasse, Kindern, Kirchensteuer, Krankenkasse etc variiert das alles etwas. Aber grob kann man sagen, dass eine Gehaltserhöhung von € 3.500 auf € 3.600 bei Lohnsteuerklasse 1, ohne Kirchensteuer und Kinder ca. € 24 mehr an Lohnsteuer bedeutet. Und davon hast du auch nichts. Bei Lohnsteuerklasse 5 sind es sogar ca. 33 Euro.
Noch mal im Überblick.
Arbeitgeber nimmt in die Hand: 123,50
Brutto-Mehrgehalt für Arbeitnehmer 100,00
Zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge 21,50
Zusätzliche Lohnsteuer 24,00
Es bleibt für dich übrig 54,50.
M.a.W. Von dem Geld was der Arbeitgeber in die Hand nimmt (€ 123,50) kommen gerade mal 44% bei dir an (€ 54,50). € 69,00 sind mehr oder weniger weg.
Also lieber andere Wege finden. Ideen dazu folgen ... demnächst ...
Disclaimer: Ich bin kein Fachanwalt für Sozialversicherungsrecht und auch kein Steuerberater. Ich spreche hier auch keine Anlageempfehlungen aus. Die Zusammenhänge und Zahlen sind nach bestem Wissen und Gewissen aus öffentlich zugänglichen Quellen im Internet recherchiert. Konsequenzen musst du für dich selbst anhand deiner eigenen Recherchen ziehen.