25/08/2023
Traumasensibles Yoga
Betroffene, die ein Trauma überlebt haben leiden in der Folge an vielen verschiedenen Symptomen, die allein durch eine Gesprächstherapie oft nicht aufgelöst werden können. Bei Traumatisierungen ist es wichtig den Körper mit einzubeziehen, da dort die Erinnerungen an die traumatischen Erlebnisse gespeichert sind. Gesprächstherapie und Körpertherapie sollten bei der Behandlung Hand in Hand gehen.
„Der Schlüssel zur Traumaheilung ist nicht das Trauma wieder zu erleben, sondern neue Erfahrungen im Körper zu schaffen.“ (P. Levine)
Was passiert bei einem traumatischen Erlebnis?
Der Körper aktiviert den Überlebensmechanismus Kampf oder Flucht, Erstarrung oder Unterwerfung. Das Nervensystem ist in höchster Alarmbereitschaft. Dieses überwältigende Ereignis und das hohe Stresslevel verändern das Nervensystem und das Gehirn nachhaltig. Das Gehirn kann das Erlebte nicht richtig verarbeiten und einsortieren, sodass die Bilder in unserem Kopf aktiv bleiben, als ob die Situation noch nicht vorbei ist.
In der Folge gerät der Mensch nun viel schneller in eine Über- oder Untererregung des Nervensystems (Hyper- oder Hypoarousal) und kann sich nicht mehr gut selbst regulieren. So können unter anderem Panikattacken, erhöhte Wachsamkeit, Albträume usw. als Folge auftreten. Der Körper kann dann als gefährlich erlebt werden, reagiert er doch teilweise unberechenbar. Zudem können Gefühle im Körper gespeichert sein, die man nicht spüren möchte, da sie in ihrer Intensität überwältigend sind und mit den Erinnerungen an die traumatische Situation verknüpft sind, z.B. Ohnmacht, Hilflosigkeit, Ekel oder Scham. Aus diesem Grund unterbrechen Menschen den Kontakt zum Körper – dies kann bewusst oder unbewusst geschehen. Infolge dessen können Körperteile oder bestimmte Bereiche nicht gespürt werden oder fühlen sich taub an bzw. können nur sehr undifferenziert wahrgenommen werden.
Was ist Traumasensibles Yoga?
„Traumasensibles Yoga (TSY) ist ein praktisch erprobter und theoretisch reflektierter Ansatz, der Resilienz und Posttraumatisches Wachstum fördert. Unter den körperorientierten traumatherapeutischen Angeboten nimmt es eine herausgehobene Stellung ein. Durch das Prinzip der achtsamen Körperwahrnehmung werden Heilungsprozesse angestoßen, die den vom Leben abgeschnittenen traumatisierten Menschen wieder in Verbindung bringen – mit sich selbst und mit der Welt.“ (www.traumasensiblesyoga.de)
Zudem hilft Traumasensibles Yoga dabei die Selbstregulation wieder zu erlangen und zu erweitern. Der Mensch lernt sich selbst wieder zu spüren und erlebt Verbundenheit mit sich selbst. Er erlangt Orientierung und Sicherheit im eigenen Körper zurück, sodass es besser gelingt gesunde Grenzen zu erfahren und diese zu schützen.
Traumasensibles Yoga ist nicht leistungs- sondern wahrnehmungsorientiert. Es geht nicht darum kompliziert aussehende Asanas auszuführen, sondern einen Kontakt zum Körper herzustellen. Die Übungen stellen keine hohen Anforderungen an den Körper. Es geht um die Wahrnehmung innerer Vorgänge, die Verbindung von Körper, Geist und Seele über Bewegung und Atem.
„Die Heilung eines Traumas ist ein natürlicher Prozess, der durch ein inneres Gewahrsein des Körpers initiiert werden kann.“ (P. Levine, Trauma-Heilung, 1998)
Wirkung/ positive Effekte
Durch Traumasensibles Yoga gewinne ich neuen Mut in einer auf Heilung ausgerichteten Gruppe. Ich erfahre ich, wie ich mir selber in schwierigen Situationen helfen kann. Ich fange an, mich endlich wieder zu spüren und lebendiger zu werden und kann wieder mehr am Leben um mich herum teilnehmen“
(www.traumasensiblesyoga.de)
Gibt es Kontraindikationen oder Voraussetzungen?
Um Traumasensibles Yoga praktizieren zu können sind keine Vorerfahrungen oder andere Voraussetzungen notwendig. Frei nach dem Motto: „Wer atmet kann auch Yoga praktizieren.“ Ebenso wenig gibt es Kontraindikationen, solange der Yogaunterricht sensibel und individuell auf den/die Teilnehmer*in abgestimmt ist und der Dialog mit dem/ der Yogalehrer*in stattfindet. Es ist wichtig, dass der/die Teilnehmer*in nicht überfordert wird oder das Gefühl hat, ihm/ihr werden Übungen aufgezwungen.
Wie gestaltet sich der Unterricht?
Die Teilnehmer sind so im Raum verteilt, dass sich alle sehen können und keiner eine andere Person hinter sich hat. Der Weg zur Tür ist frei und der Raum darf jederzeit verlassen werden. Es kann zusätzlich eine freie Matte im Raum liegen, für den Fall, dass es jemandem nicht gut geht, er aber im Raum bleiben möchte. Während des Unterrichts bleibt der/ die Yogatherapeut*in/ Yogalehrer*in auf seiner Matte. Er geht nicht durch den Raum und fasst die Teilnehmer nicht an. Korrekturen werden allgemein formuliert, generell ist die Vorstellung wie eine Asana (Körperhaltung) ausgeführt werden soll offener als bei anderen Stilen. Die Sprache des*der Yogalehrer*in ist sanft und einladend, Anleitungen werden offen mit verschiedenen Wahlmöglichkeiten formuliert. Es werden Worte benutzt wie "einladen", "erforschen", "experimentieren" oder "Wenn du möchtest, dann...", "Wenn du soweit bist, dann...". Das Treffen eigener Entscheidungen (bzgl. des eigenen Körpers) und die Entwicklung von Wahlmöglichkeiten führen dazu das Betroffene wieder erleben, dass sie die Kontrolle haben. Traumasensibles Yoga ermöglicht Entscheidungen zu treffen, die auf den eigenen Körper im gegenwärtigen Augenblick einen positiven Einfluss haben können. Grenzen werden ausgetestet. Es wird immer wieder dazu eingeladen die Haltungen zu variieren und Hilfsmittel zu benutzen, um sich bestmöglich in der Haltung einzurichten. Schmerzen oder Unwohlsein in einer Haltung müssen nicht ausgehalten werden. Die Teilnehmer werden immer wieder daran erinnert, dass sie nichts aushalten müssen und eine Wahl haben wie sie die Position verändern möchten. So kann man Übungen auch im sitzen ausführen, wenn man nicht liegen will oder führt eine Übung mit geöffneten anstatt mit geschlossenen Augen aus. Zwischen den einzelnen Übungen gibt es ausreichend Zeit zum Nachspüren. Dies ermöglicht die Bildung von neuronalen Verknüpfungen, die durch das Trauma verloren gegangen sein können oder vielleicht nie gebildet wurden. So erklärt sich auch, dass irgendwann wieder Bereiche im Körper gespürt werden, wo es vorher nicht möglich war etwas wahrzunehmen. Neben den Körperübungen können Atemübungen (Pranayama) dabei helfen mit den Folgen einer Traumatisierung umzugehen.
Du bist nicht allein!
In Kontakt mit sich selbst und dem eigenen Körper zu kommen, kann ein langer, schwieriger Prozess sein, der für traumatisierte Menschen nicht alleine zu bewältigen ist. Die liebevolle Aufmerksamkeit des*der Yogalehrer*in kann diesen Prozess begleiten. Das Mitgefühl das der Betroffene zunächst nicht sich selbst gegenüber zeigen kann, wird stellvertretend durch den/ die Yogalehrer*in gezeigt (Ich sehe dich, ich fühle mit dir, ich bin bei dir), bis der/die Betroffene Mitgefühl für sich selbst entwickelt. Wenn es gelingt einen nährenden, wohlwollenden Kontakt zu sich selbst herzustellen, eröffnet sich ein Raum in dem Heilung stattfinden kann. Jede Traumatisierung zeigt sich anders im System eines Menschen - der/ die Yogalehrer*in geht auf diese individuellen Auswirkungen ein. Er/ sie orientiert sich an dem was er bei den Teilnehmern beobachten kann und an ihren Rückmeldungen.
Bei Fragen oder Interesse kannst dud ich gerne an mich wenden.
Liebe Grüße,
Sandra