14/11/2025
"Obwohl die Welt so vernetzt ist wie noch nie, fühlen sich immer mehr Menschen alleine. Der Sozialbericht 2024 vom Statistischen Bundesamt zeigt, dass rund 16 Prozent der Deutschen ab zehn Jahren häufig Einsamkeit verspüren. Am meisten sind 18- bis 29-Jährige betroffen, in dieser Altersgruppe leiden etwa 24 Prozent darunter.
Woran das liegt, welche Folgen Einsamkeit haben kann und welche Strategien helfen, erklärt Prof. Anette Kersting, Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Uniklinik Leipzig, im Interview.
Prof. Kersting, wie definieren Sie Einsamkeit?
Einsamkeit beschreibt die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen und den gewünschten sozialen Beziehungen. Es hängt nicht immer mit der objektiven Anzahl der sozialen Kontakte zusammen, sondern beschreibt ein ganz subjektives Gefühl. Darum unterscheiden wir zwischen emotionaler und sozialer Einsamkeit. Bei Ersterem geht es nicht um die Menge an Kontakten, sondern um die Qualität und Intensität. Die soziale Einsamkeit meint hingegen, dass man keine oder nicht genügend zwischenmenschliche Beziehungen hat.
Einsamkeit kann auch situativ sein, oder? Wann wird es problematisch?
In erster Linie ist es ein Signal, dass wir uns wieder stärker um soziale Kontakte bemühen sollten. Einsamkeit wird erst dann problematisch, wenn sie chronisch wird und Betroffene keinen Weg finden, alleine aus diesem Zustand herauszukommen. Übergangssituationen im Leben – wie der Verlust eines Partners, der Auszug aus dem Elternhaus oder der Beginn eines neuen Lebensabschnitts – können vorübergehende Einsamkeitsgefühle auslösen. Das ist normal und erst einmal gar kein Grund zur Sorge.
Warum sind vor allem junge Menschen so stark betroffen?
Die sozialen Medien spielen dabei eine große Rolle, denn die Annahme, dass man sich dadurch mehr und einfacher vernetzt, trügt. Es geht hierbei vor allem um die Qualität von sozialen Kontakten. Zudem verleiten soziale Netzwerke dazu, sich mit anderen zu vergleichen, man bekommt den Eindruck, dass andere hübscher, erfolgreicher und sozial mehr eingebunden sind.
Was sind die häufigsten Folgen von Einsamkeit?
Wer sich chronisch einsam fühlt, hat ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen. Diese machen es wiederum schwerer, aus der Einsamkeit herauszufinden. .."
Trotz ständiger Vernetzung in den sozialen Medien fühlen sich immer mehr Menschen alleine – besonders junge Erwachsene sind betroffen. Warum Einsamkeit eine unterschätzte Gefahr für unsere körperliche Gesundheit ist, erklärt die Expertin Prof. Anette Kersting im Interview.